Doch die Sünde ist Scharlachrot
Schubkarren lehnten an der Wand, daneben zwei verrostete Fahrräder mit alten Satteltaschen. Irgendwann hatte jemand einmal ein paar Geranien in Tontöpfe gepflanzt, doch sie waren nicht sonderlich gediehen. Zwei der Töpfe waren umgestürzt und zerbrochen, und die Pflanzen lagen am Boden wie arme Seelen, die um ein gnädiges Ende flehten.
»Mein Name war Edrek Udy«, sagte Daidre. »Wissen Sie, was Edrek bedeutet, Thomas?«
Er musste verneinen. Er stellte fest, dass er nicht wollte, dass sie fortfuhr. Und es erfüllte ihn mit unendlicher Traurigkeit, dass er so gedankenlos in ein Leben eingebrochen war, das sie um jeden Preis hatte vergessen wollen.
»Edrek ist das kornische Wort für Reue«, sagte Daidre. »Kommen Sie, und lernen Sie meine Familie kennen.«
Jago Reeth schien nicht im Mindesten überrascht. Und ebenso wenig schien er beunruhigt. Er sah genauso aus wie beim ersten Mal, als Bea ihm bei LiquidEarth begegnet war: hilfsbereit. Sie fragte sich, ob sie sich im Irrtum befanden, was ihn betraf.
Natürlich könnten sie ihn sprechen, versicherte er. Sie sollten sich entweder zu ihm und seinem Freund in der Kaminecke gesellen, oder sie würden den Wirt um einen separaten Raum bitten müssen.
Bea erwiderte, sie würden die Unterhaltung lieber in der Polizeiwache in Casvelyn führen, wenn er nichts dagegen hätte.
Höflich entgegnete er: »Ich fürchte, dagegen habe ich in der Tat etwas. Nehmen Sie mich fest, Madam?«
Das ›Madam‹ brachte sie ins Stocken. Es lag an der Art, wie er es sagte, so als glaube er, er habe hier die Oberhand.
»Denn wenn ich mich nicht irre, muss ich Ihre Einladung nicht annehmen«, fuhr er fort.
»Gibt es irgendeinen Grund, warum Sie lieber nicht mit uns sprechen wollen, Mr. Reeth?«
»Absolut nicht«, versicherte er. »Aber wenn wir uns unterhalten, muss es irgendwo sein, wo ich mich wohlfühle, und das wäre in einer Polizeiwache eher nicht der Fall, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Sein liebenswürdiges Lächeln entblößte Zähne, die von Tee und Kaffee verfärbt waren. »In mir schnürt sich alles zu, wenn ich zu lange drinnen bin. Und zugeschnürt kann ich gar nicht viel sagen. Und eines weiß ich: In einer Polizeiwache wäre ich wahrscheinlich ganz und gar zugeschnürt. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
Bea verengte die Augen. »Tatsächlich?«
»Habe ein bisschen mit Platzangst zu tun.«
Reeths Gefährte sah gespannt von einem zum anderen und fragte schließlich dazwischen: »Was hat das zu bedeuten, Jago?«
»Möchten Sie Ihren Freund ins Bild setzen?«, schlug Bea vor.
Reeth antwortete: »Sie wollen mit mir über Santo Kerne reden. Schon wieder. Sie waren seinetwegen ja schon mal bei mir.« Und an Bea gewandt: »Aber ich bin gerne bereit, noch einmal über ihn zu sprechen. Sooft Sie wollen. Lassen Sie uns einfach nach draußen gehen … Da können wir entscheiden, wann und wo wir reden.«
Sergeant Havers wollte etwas sagen, aber Bea hielt sie mit einem Blick zurück. Noch nicht. Bea wollte abwarten, was Jago Reeth im Schilde führte. Entweder war er vollkommen ahnungslos oder erstaunlich gerissen. Bea glaubte zu wissen, was von beidem der Fall war.
Sie folgten ihm in den Windfang des Hotels; die Tür zur Bar fiel hinter ihnen zu, und der Wirt, der seine Gläser poliert und ihnen dabei neugierig nachgesehen hatte, verschwand aus ihrem Blickfeld. Selevan Penrule rief seinem Freund noch nach: »Sei vorsichtig, Kumpel.« Dann waren sie allein und ungestört.
Mit plötzlich veränderter Stimme – nicht nur anders als noch vor einem Augenblick, sondern auch verändert gegenüber der Stimme, die er bei jeder ihrer früheren Begegnungen gehabt hatte – sagte Jago Reeth: »Ich fürchte, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Nehmen Sie mich fest, Inspector?«
»Sollte ich das?«, konterte Bea. »Und danke, dass Sie das Theaterspielen eingestellt haben.«
»Bitte, Inspector. Halten Sie mich nicht für einen Dummkopf. Sie werden feststellen, dass ich meine Rechte besser kenne als die meisten. Man könnte tatsächlich sagen, ich habe meine Rechte eingehend studiert. Sie können mich also festnehmen, wenn Sie möchten, und beten, dass Sie genug in der Hand haben, um mich für sechs Stunden festzuhalten. Oder maximal neun, da Sie die Überprüfung erst nach den sechs Stunden vornehmen würden, richtig? Aber danach … Welcher Superintendent der Welt würde eine Befragung von vierundzwanzig Stunden genehmigen – nach dem, was Ihre Ermittlungen bislang
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