Doctor Sleep (German Edition)
Kleine umzuwandeln.«
Rose stieß ein zerstreutes, bellendes Lachen aus. » Wenn ich recht habe, dann haben wir gar nicht genug Flaschen, den Steam der Kleinen zu speichern. Wenn sie ein Berg wäre, dann der Mount Everest.« Crow erwiderte nichts. Rose musste ihn weder sehen noch in seinen Gedanken stochern, um zu merken, dass er regelrecht entgeistert war. »Aber vielleicht müssen wir weder das eine noch das andere tun.«
»Das kapier ich nicht.«
Natürlich tat er das nicht. Vorausschauendes Denken war noch nie Crows Spezialität gewesen. » Vielleicht müssen wir sie weder umwandeln noch töten. Denk mal an Kühe.«
»Kühe.«
»Man kann eine schlachten, dann hat man ein paar Monate lang Steaks und Hamburger. Aber wenn man sie am Leben lässt und für sie sorgt, gibt sie sechs Jahre lang Milch. Vielleicht sogar acht Jahre.«
Schweigen. Lange. Sie ließ zu, dass es sich ausdehnte. Als Crow etwas sagte, hörte er sich noch vorsichtiger an als vorher. » Von so was hab ich noch nie gehört. Wir töten sie, wenn der Steam verbraucht ist oder wenn sie was haben, was wir brauchen, und wenn sie stark genug sind, die Umwandlung zu überleben, dann wandeln wir sie um. So wie wir es damals in den Achtzigern mit Andi gemacht haben. Grampa Flick sagt vielleicht was anderes, wenn man ihm glaubt, dass er sich wirklich noch daran erinnert, wie Heinrich VIII. seine Weiber umgebracht hat, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Knoten jemals versucht hat, sich einen Steamhead zu halten. Wenn die Kleine so stark ist, wie du sagst, ist das womöglich sogar gefährlich.«
Da sagst du mir nichts Neues. Wenn du gespürt hättest, was ich gespürt hab, dann würdest du mich für verrückt erklären, weil ich so was überhaupt in Betracht ziehe. Vielleicht ist es auch verrückt. Aber …
Aber sie hatte es satt, so viel von ihrer Zeit – von der Zeit der gesamten Familie – damit zu verbringen, Nahrung her beizuschaffen. Zu leben wie fahrendes Volk im Mittelalter, wo sie doch eigentlich wie die Könige und Königinnen der Schöpfung hätten leben sollen. Das waren sie schließlich.
»Sprich mit Grampa, sobald er sich besser fühlt. Und mit Heavy Mary, die ist schon fast so lange dabei wie Flick. Mit Snakebite Andi. Die ist zwar neu, hat aber Grips im Kopf. Und mit allen anderen, denen deiner Meinung nach was Nützliches einfallen könnte.«
»Du lieber Himmel, Rosie. Ich weiß nicht …«
»Ich weiß es auch noch nicht. Bin immer noch überwältigt. Momentan bitte ich dich auch bloß, etwas Vorarbeit zu leisten. Schließlich bist du der Scout.«
»Okay …«
»Ach, und vergiss nicht, mit Walnut zu sprechen. Frag ihn, mit was für Drogen man ein Tölpelkind über lange Zeit hinweg brav und gefügig halten kann.«
»Ich hab nicht den Eindruck, dass die Kleine ein richtiger Tölpel ist.«
»Aber klar doch. Eine fette, alte Tölpel-Milchkuh.«
Stimmt nicht ganz. Eher ein riesengroßer weißer Wal, das ist die Kleine.
Rose trennte die Verbindung, ohne abzuwarten, ob Crow Daddy noch etwas zu sagen hatte. Sie war der Boss, und aus ihrer Sicht war das Gespräch beendet.
Sie ist ein weißer Wal, und ich will sie haben.
Aber Ahab hatte Moby Dick nicht nur haben wollen, weil der tonnenweise Walspeck und fast zahllose Fässer Öl geliefert hätte, und Rose wollte das Mädchen nicht nur, weil es – mithilfe des richtigen Drogencocktails und kraftvoller übersinnlicher Beruhigungsmaßnahmen – einen fast endlosen Vorrat an Steam liefern konnte. Die Sache hatte einen persönlicheren Aspekt. So jemand umwandeln? Zum Teil des Wahren Knotens machen? Niemals. Die Kleine hatte Rose the Hat aus ihrem Kopf gescheucht wie eine lästige Sektenanhängerin, die von Tür zu Tür ging, um Broschüren über das Ende der Welt zu verteilen. So war Rose noch von niemand rausgeschmissen worden. Egal wie kraftvoll die Kleine war, man musste ihr eine Lektion erteilen.
Und dafür bin ich genau die Richtige.
Rose the Hat ließ den Motor an, lenkte den Pick-up aus dem Parkplatz des Supermarkts und machte sich auf den Weg zu dem familieneigenen Bluebell Campground. Der war wirklich wunderschön gelegen, was kein Wunder war. Dort hatte einmal eines der großartigsten Urlaubshotels der Welt gestanden.
Aber natürlich war das Overlook schon vor langer Zeit niedergebrannt.
11
Matt und Cassie Renfrew waren die Partytiere der Nachbarschaft, und sie entschieden spontan, ein Erdbeben-Barbecue zu veranstalten. Dazu luden sie alle Anwohner der Straße
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