Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
dann legte sie den Kopf schief und strahlte ihn an. »Maurice Chevalier sind Sie zwar nicht gerade, aber ich mag Sie, mon cher. Sie sind fröhlich, was wichtig ist, Sie sind frech, was noch wichtiger ist, und Sie haben einen tollen Hintern, was am allerwichtigsten ist. Der Hintern eines Mannes ist der Motor, der die Welt antreibt, und Sie haben einen guten. Zu meiner Glanzzeit hätte ich ihn mir geschnappt und Sie dann genüsslich verspeist. Vorzugsweise am Pool vom Hôtel de Paris in Monte Carlo vor einem bewundernden Publikum, das meinen Bemühungen Applaus gespendet hätte.«
    Ihre raue, aber rhythmische Stimme ließ diese Vorstellung eher charmant als vulgär erscheinen. Dan fand, dass sie wie die Sängerin eines Cabarets klang, die schon alles gesehen und getan hatte, bevor die deutsche Armee im Juni 1940 im Stechschritt die Champs-Élysées entlangmarschierte. Zwar verlebt, aber noch bei Weitem nicht verbraucht. Und während sie trotz der leichten Farbe, die das geschickt gewählte Nachthemd auf ihr Gesicht warf, wie der Tod persönlich aussah, musste man zugeben, dass sie so schon seit 2009 aussah, als sie in Zimmer 15 von Gebäude eins gezogen war. Nur Azzies Anwesenheit wies darauf hin, dass sich in dieser Nacht etwas verändert hatte.
    »Das wäre bestimmt äußerst angenehm gewesen«, sagte er.
    »Haben Sie derzeit Kontakt zu irgendwelchen Damen, mon cher?«
    »Momentan nicht, nein.« Mit einer Ausnahme, und die war eindeutig zu jung für ein amouröses Abenteuer.
    »Schade. Denn in späteren Jahren wird das « – sie hob ihren knochigen Zeigefinger und ließ ihn dann sinken – »zu dem . Sie werden schon sehen.«
    Er grinste und setzte sich auf ihr Bett. So, wie er sich auf so viele Betten gesetzt hatte. » Wie fühlen Sie sich heute denn, Eleanor?«
    »Nicht schlecht.« Sie beobachtete, wie Azzie vom Bett sprang und zur Tür hinausstolzierte. Seine Arbeit hatte er für heute getan. »Ich hatte viele Besucher. Die haben Ihren Kater zwar nervös gemacht, aber er hat hier ausgeharrt, bis Sie gekommen sind.«
    »Das ist nicht mein Kater, Eleanor. Er gehört dem Haus.«
    »Nein«, sagte sie, als würde das Thema sie nicht mehr besonders interessieren. »Er gehört Ihnen.«
    Dan bezweifelte, dass Eleanor auch nur einen einzigen Besucher gehabt hatte – mit Ausnahme von Azreel natürlich. Heute hatte niemand sie besucht, in der letzten Woche und im letzten Monat nicht, ja nicht einmal im letzten Jahr. Sie war allein auf der Welt. Selbst der uralte Steuerberater, der sich so viele Jahre lang um ihre Finanzen gekümmert hatte und jedes Vierteljahr einmal hereingewackelt gekommen war, in den Händen eine Aktentasche von der Größe eines Saab-Kofferraums, hatte inzwischen das Zeitliche gesegnet. Miss Uh-la-la behauptete, Verwandte in Montreal zu haben – aber ich habe nicht genug Geld auf der hohen Kante, als dass die es für lohnend halten würden, mich zu besuchen, mon cher.
    » Wer war denn da?« Vielleicht meinte sie ja Gina Weems oder Andrea Bottstein, die beiden Schwestern, die heute von drei bis elf Dienst in Gebäude eins hatten. Oder Poul Larson, ein träger, aber anständiger Pfleger, der Dan wie ein Gegenentwurf zu Fred Carling vorkam, hatte zu einem Schwätzchen vorbeigeschaut.
    » Wie schon gesagt, viele. Sie kommen immer noch vorbei. Ein endloses Defilee. Sie lächeln, sie verbeugen sich, ein Kind streckt die Zunge heraus und lässt sie wackeln wie einen Hundeschwanz. Manche von ihnen sagen etwas. Kennen Sie den Dichter Giorgos Seferis?«
    »Nein, Ma’am, leider nicht.« Waren tatsächlich noch andere da? Möglich war es, aber er nahm sie überhaupt nicht wahr. Nicht dass er sonst immer alle wahrnahm.
    »Seferis hat geschrieben: ›Sind das die Stimmen unsrer toten Freunde, oder ist es nur das Grammophon?‹ Am traurigsten sind die Kinder. Es war ein Junge hier, der in einen Brunnen gefallen ist.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, und eine Frau, die mit einer Bettfeder Selbstmord begangen hat.«
    Er spürte nicht die geringste Ahnung, dass jemand anwesend war. Ob seine Begegnung mit Abra Stone ihn wohl ausgelaugt hatte? Das war möglich, aber sein Shining kam und ging ohnehin in Wellen, die er nie hatte ergründen können. Daran lag es seiner Meinung nach jedoch auch nicht. Wahrscheinlich war Eleanor dement geworden – oder sie führte ihn an der Nase herum. Nicht auszuschließen, immerhin war Eleanor Uh-la-la ein echter Witzbold. Irgendjemand – vielleicht Oscar Wilde – hatte angeblich noch auf

Weitere Kostenlose Bücher