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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sie kurz stehen blieb, um Andi zu umarmen. Dann stieg sie die Stufen hoch, klopfte einmal und öffnete selber die Tür. Da stand Nut mit Big Mo und Apron Annie, die sich widerstrebend als Grampas Pflegerinnen betätigt hatten. Crow saß am Fußende des Bettes. Als Rose hereinkam, erhob er sich. An diesem Abend sah man ihm sein Alter an. Sein Mund war von Fältchen umgeben, und in seiner schwarzen Haartracht traten ein paar weiße Strähnen hervor.
    Wir müssen Steam einnehmen, dachte Rose. Und wenn das hier vorüber ist, werden wir es auch tun.
    Grampa Flick kreiste inzwischen rapide; die Haut war zuerst transparent, dann undurchsichtig, dann wieder transparent. Aber jede neue Transparenz dauerte länger, und es verschwand immer mehr von ihm. Er wusste, was mit ihm geschah, das sah Rose deutlich. Die Augen waren weit geöffnet und voller Angst; der Körper wand sich im Schmerz der Veränderungen, die er durchmachte. Rose hatte sich immer dazu verführen lassen, auf einer tiefen Ebene ihres Bewusstseins an die Unsterblichkeit des Wahren Knotens zu glauben. Ja, alle fünfzig bis hundert Jahre starb jemand – wie Hands-off-Hans, dieser große, trottelige Holländer, den nicht lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Arkansas eine vom Sturm heruntergerissene Überlandleitung getötet hatte, oder Katie Patches, die ertrunken war, oder Tommy the Truck – aber das waren Ausnahmen. Wer auf diese Weise zu Fall kam, der stürzte normalerweise über die eigene Fahrlässigkeit. Das hatte Rose jedenfalls bisher immer geglaubt. Nun erkannte sie, dass sie so dämlich gewesen war wie ein Tölpelkind, das unbedingt an den Weihnachtsmann und den Osterhasen glauben wollte.
    Grampa kreiste wieder zurück, stöhnend und weinend und zitternd. »Mach, dass es aufhört, Rosie, lass es aufhören. Es tut so weh …«
    Bevor sie etwas erwidern konnte – und was hätte sie wohl schon sagen können? –, verblasste er wieder, bis nichts mehr von ihm übrig war als die Umrisse von Knochen und die starren, schwebenden Augen. Die waren am schlimmsten.
    Rose versuchte, gedanklich Kontakt zu ihm aufzunehmen, um ihn so zu trösten, aber da war nichts, woran sie sich hätte festhalten können. Wo Grampa Flick immer gewesen war – oft mürrisch, manchmal liebenswürdig –, befand sich jetzt nur noch ein tobender Sturm aus zerbrochenen Bildern. Erschüttert zog Rose sich aus ihm zurück. Das kann doch nicht wahr sein, dachte sie.
    » Vielleicht sollten wir ihn von seinem Elend erlösen«, sagte Big Mo. Sie grub die Fingernägel in Annies Unterarm, was Annie gar nicht zu spüren schien. »Ihm eine Spritze geben oder so. Du hast doch was in deiner Tasche, Nut, oder? Du musst es tun.«
    » Was würde das nützen?« Walnuts Stimme klang heiser. » Vorher wäre das vielleicht sinnvoll gewesen, aber jetzt geht es zu schnell. Er hat keinen Organismus mehr, in dem eine Droge zirkulieren könnte. Wenn ich ihm eine Spritze in den Arm gebe, tropft der Inhalt fünf Sekunden später aufs Bett. Am besten, wir lassen es einfach geschehen. Es wird nicht mehr lange dauern.«
    Das tat es auch nicht. Rose zählte vier weitere volle Zyklen. Beim fünften verschwanden sogar die Knochen. Einen Moment lang blieben die Augäpfel noch erhalten; sie starrten erst Rose an und drehten sich dann, um Crow Daddy anzublicken. Sie schwebten über dem Kissen, auf dem immer noch die Kuhle vom Gewicht des Kopfs zu sehen war, dazu Flecke von seinem Haarwasser Marke Wildroot Cream Oil, von dem er allem Anschein nach einen unerschöp fl ichen Vorrat besaß. Laut Greedy G hatte er es, wie Rose sich zu erinnern glaubte, immer auf eBay gekauft. Auf eBay, in drei Teufels Namen!
    Dann verschwanden langsam auch die Augen. Nur dass sie natürlich nicht richtig verschwunden waren; Rose wusste, sie würde sie später in der Nacht in ihren Träumen sehen. So wie die anderen, die an Grampa Flicks Totenbett standen. Falls sie überhaupt einschlafen konnten.
    Sie warteten, weil keiner von ihnen vollständig davon überzeugt war, dass der Alte nicht wieder wie der Geist von Hamlets Vater oder Jacob Marley vor ihnen auftauchen würde, aber da waren nur die von seinem verschwundenen Kopf hinterlassene Kuhle, die Flecke seines Haarwassers und die leeren, mit Pisse und Scheiße verdreckten Boxershorts, die er getragen hatte.
    Mo brach in ein wildes Schluchzen aus und vergrub den Kopf zwischen Apron Annies üppigen Brüsten. Das hörten die draußen Wartenden, und jemand (Rose erfuhr nie, wer) begann

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