Doctor Sleep (German Edition)
und dafür bin ich auch unheimlich dankbar. Es war jetzt alles so schwer, aber nun ist es bald vorbei. Spätestens Montag bin ich wieder zu Hause.«
» Wir freuen uns so auf dich.«
» Wie geht es dir überhaupt? Und Abra?«
»Uns beiden geht es gut.« Das würde David noch etwa sech zig Sekunden lang glauben dürfen.
Er hörte Lucy gähnen. » Vielleicht lege ich mich noch ein oder zwei Stunden ins Bett. Ich glaube, jetzt kann ich einschlafen.«
»Tu das. Ich muss Abs aufwecken, damit sie rechtzeitig in die Schule kommt.«
Sie verabschiedeten sich, und als Dave sich von dem an der Wand hängenden Küchentelefon abwandte, sah er, dass Abra bereits aufgestanden war. Sie trug noch ihren Schlafanzug. Ihre Haare sträubten sich in alle Richtungen, die Augen waren gerötet, und das Gesicht war bleich. Zum ersten Mal seit etwa vier Jahren drückte sie Hoppy, ihren alten Stoffhasen, an die Brust.
»Abba-Doo? Bist du krank? Oder ist dir übel?«
Ja. Nein. Ich weiß nicht. Aber dir wird übel sein, wenn du hörst, was ich dir erzählen werde.
»Ich muss mit dir sprechen, Daddy. Und ich will heute nicht in die Schule gehen. Morgen auch nicht. Vielleicht eine ganze Weile nicht.« Sie zögerte. »Ich stecke im Schlamassel.«
Das Erste, was Dave bei diesem Ausdruck in den Sinn kam, war so schrecklich, dass er es sofort von sich wegschob, aber nicht, bevor Abra es aufgefangen hatte.
Sie lächelte matt. »Nein, schwanger bin ich nicht. Das ist wohl schon mal erfreulich.«
Er war auf sie zugegangen. Nun blieb er auf halbem Wege mitten in der Küche stehen. Sein Mund klappte auf. »Du … hast du etwa gerade …«
»Ja«, sagte sie. »Ich hab gerade deine Gedanken gelesen. Allerdings hätte jeder erraten können, was du gedacht hast, Daddy – man hat’s dir am Gesicht angesehen. Und man nennt es Shining oder Hellsichtigkeit, nicht Gedankenlesen. Ich kann immer noch das meiste von dem tun, was euch Angst gemacht hat, als ich klein war. Nicht alles, aber das meiste.«
Er sprach ganz langsam. »Ich weiß, dass du manchmal noch Vorahnungen hast. Deine Mutter weiß das auch.«
»Es ist viel mehr als das. Ich habe einen Freund. Der heißt Dan. Er und Dr. John waren in Iowa …«
»John Dalton?«
»Ja …«
» Wer ist dieser Dan? Ist das ein Junge, der bei Dr. John in Behandlung ist?«
»Nein, er ist schon erwachsen.« Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zum Küchentisch. Dort setzten sie sich. Abra hielt immer noch Hoppy in der Hand. »Aber als er klein war, da war er wie ich.«
»Abs, ich verstehe nur Bahnhof.«
»Da sind böse Menschen, Daddy.« Natürlich konnte sie ihm nicht sagen, dass sie keine richtigen Menschen waren, schlimmer als Menschen, bevor Dan und John da waren, um ihr bei der Erklärung zu helfen. » Möglicherweise wollen sie mir wehtun.«
» Wieso sollte irgendjemand dir wehtun wollen? Das ist völlig abwegig. Und wenn du das, was du früher getan hast, noch tun könntest, dann würden wir das wiss…«
Die Schublade unter den aufgehängten Töpfen ging krachend auf, schloss sich und öffnete sich wieder. Löffel an die Decke hängen konnte Abra nicht mehr, aber das reichte aus, um ihren Vater zu überzeugen.
»Als ich kapiert hab, wie sehr ihr euch deshalb sorgt – wie viel Angst es euch macht –, da hab ich es versteckt. Aber jetzt kann ich es nicht mehr verstecken. Dan meint, ich muss es euch sagen.«
Sie drückte das Gesicht an Hoppys abgewetztes Fell und begann zu weinen.
Kapitel zwölf
SIE NENNEN ES STEAM
1
John schaltete sein Handy ein, sobald er und Dan am späten Donnerstagnachmittag in Boston den Flugsteig verlassen hatten. Kaum sah er, dass er mehr als ein Dutzend Anrufe verpasst hatte, fing das Telefon in seiner Hand an zu läuten. Er blickte aufs Display.
»Stone?«, fragte Dan.
» Von derselben Nummer hab ich gerade schon massenhaft andere Anrufe bekommen, die ich verpasst hab. Also wird er’s wohl sein.«
»Nimm nicht ab. Ruf ihn zurück, wenn wir auf der Schnellstraße sind, und sag ihm, wir sind um …« Dan sah auf seine Armbanduhr, die er in Iowa nicht umgestellt hatte. »… um sechs da. Wenn wir bei ihm sind, erklären wir ihm alles.«
John steckte sein Handy widerstrebend ein. » W ährend dem Flug hab ich gehofft, dass ich wegen dieser Sache nicht meine Zulassung verliere. Jetzt hoffe ich nur noch, dass man uns nicht verhaftet, sobald wir den Wagen vor Dave Stones Haus anhalten.«
Dan, der sich auf der Heimreise mehrmals mit Abra beraten hatte,
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