Doctor Sleep (German Edition)
einem roten Kleid mit Puffärmeln. Ihr zum Zopf geflochtenes Haar war kastanienbraun, ihr Lächeln breit und selbstsicher.
»Julianne Cross«, sagte Jimmy. Er tippte wieder auf das Touchpad, worauf ein Rotschopf mit einem schelmischen Grinsen erschien. »Emma Deane.« Ein weiteres Tippen, und ein noch hübscheres Mädchen war zu sehen. Blaue Augen und blondes Haar, das bis über die Schultern fiel. Eine ernste Miene, aber Grübchen, die ein Lächeln andeuteten. »Das da ist Abra Stone.«
»Abra?«
»Ja, heutzutage gibt’s allerhand verrückte Namen. Erinnerst du dich an die Zeit, als die Tölpel sich noch mit Jane und Mabel zufriedengaben? Ich hab irgendwo gelesen, dass Sylvester Stallone seinen Sohn Sage Moonblood genannt hat. Völliger Schwachsinn, oder?«
»Du meinst, eine von den dreien ist das Mädchen, nach dem wir suchen.«
» Wenn Rose recht hat, dass es sich um einen jungen Teenager handelt, muss es fast so sein. Wahrscheinlich Deane oder Stone, das sind die beiden, die in der Straße wohnen, wo das kleine Erdbeben war, aber die kleine Cross kann man nicht völlig ausschließen. Sie wohnt direkt um die Ecke.« Jimmy Numbers machte eine kreisende Bewegung auf dem Touchpad, und die drei Bilder ordneten sich nebeneinander an. Unter jedem stand in Kursivbuchstaben MEINE SCHULERINNERUNGEN .
Crow betrachtete die Fotos. » Wird eigentlich irgendjemand merken, dass du auf Facebook oder so Bilder von fremden Mädchen geklaut hast? Bei so was klingeln im Tölpelland nämlich gleich jede Menge Alarmglocken.«
Jimmy sah beleidigt drein. »Facebook, dass ich nicht lache. Das Zeug stammt aus dem Archiv der Schule. Ich hab es direkt von deren Computer auf meinen hochgeladen.« Er schmatzte unschön mit den Lippen. »Und weißt du was: Selbst wenn jemand Zugang zu einem ganzen Saal voller NSA -Computer hätte, könnte er meine Spur nicht verfolgen. Na, jetzt bist du baff, oder?«
»Klar«, sagte Crow. »Mehr oder weniger jedenfalls.«
» Was meinst du, welche es ist?«
» Wenn du mich fragst …« Crow tippte auf Abras Foto. »Die hat so einen gewissen Ausdruck in den Augen. Als ob sie Steam im Kessel hätte.«
Jimmy schnalzte mit der Zunge. »Na, nützt uns das was?«
»Ja. Kannst du die Fotos ein paarmal ausdrucken, damit sie jeder von uns hat? Vor allem Barry. Schließlich ist der unser Finder.«
»Mach ich gleich jetzt. Ich hab einen tragbaren Drucker dabei. Tolles Gerät für unterwegs. Früher hatte ich ein ziemliches Monstrum, aber als ich in der Computerworld gelesen hab, dass …«
»Tu’s einfach, okay?«
»In Ordnung.«
Crow griff wieder nach seiner Zeitschrift und schlug den Cartoon auf der letzten Seite auf, bei dem man immer die Unterschrift ergänzen sollte. In dieser Woche war eine alte Frau dargestellt, die mit einem Bären an der Kette eine Kneipe betrat. Sie hatte den Mund geöffnet, also musste der Text das ausdrücken, was sie sagte. Crow dachte ausgiebig nach, dann schrieb er in Druckbuchstaben: »Also, wer von euch Arschlöchern hat mich als geile Schlampe bezeichnet?«
Wahrscheinlich kein Anwärter auf den ersten Preis.
Der Winnebago rollte durch den dunkler werdenden Abend. Vorn im Fahrerhaus schaltete Nut die Scheinwerfer an. In einer der Schlafkojen wälzte Barry the Chink sich auf die Seite und kratzte im Schlaf an seinem Handgelenk. Dort hatte sich ein roter Fleck gebildet.
4
Die drei Männer saßen schweigend da, während Abra nach oben ging, um etwas aus ihrem Zimmer zu holen. Dave überlegte, ob er Kaffee anbieten sollte – seine Besucher sahen müde aus, ganz zu schweigen davon, dass sie eine Rasur nötig hatten –, entschloss sich jedoch, ihnen nicht mal einen trockenen Salzcracker vorzusetzen, bevor er nicht eine Erklärung erhalten hatte. Er hatte mit Lucy zwar schon besprochen, was sie tun wollten, wenn Abra eines nicht fernen Tages nach Hause kam und verkündete, dass ein Junge mit ihr ausgehen wolle, aber das waren Männer, Männer, und es hatte den Anschein, als wäre der, den er nicht kannte, schon eine ganze Weile mit seiner Tochter ausgegangen. In gewisser Weise jedenfalls … und genau das war eigentlich die Frage: auf welche Weise?
Bevor einer der drei es riskieren konnte, ein voraussehbar unbehagliches – und womöglich sogar bissiges – Gespräch zu beginnen, hörte man das gedämpfte Donnern von Abras Sneakers auf der Treppe. Als sie ins Zimmer kam, hatte sie eine Ausgabe des Anniston Shopper in der Hand. »Schau dir die Rückseite an.«
Ihr Vater
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