Doctor Sleep (German Edition)
umklammert, während er das Schlafzimmer verließ, nicht richtig hinkend, aber doch eindeutig so, dass er das linke Bein schonte. Er hatte vage Bilder im Kopf – die sich hoffentlich nie scharfstellen würden –, davon, wie der Case-Cowboy einen Stuhl geschleudert hatte. Daraufhin waren er und Deenie-Engel-drück-den-Schwengel abgehauen, nicht im Laufschritt, sondern wiehernd wie zwei Esel.
Wieder zog sich sein missgestimmter Magen zusammen, diesmal begleitet von einer Enge, die sich wie eine Hand in einem schlüpfrigen Gummihandschuh anfühlte. Das betätigte sämtliche Kotzauslöser: den Essiggeruch der hart gekochten Eier aus dem großen Glasgefäß auf der Theke, den Geschmack von Schweineschwarte mit Barbecue-Aroma, den Anblick von Pommes, die in blutigem Ketchup ersoffen. Der ganze Mist, den er sich zwischen jeweils zwei Schlucken Whiskey in den Mund gestopft hatte. Er wollte kotzen, aber die Bilder strömten immer weiter auf ihn ein; drehten sich wie auf einem Glücksrad in einer albtraumhaften Fernsehshow.
Na, was haben wir da für unseren nächsten Kandidaten, Johnny? Tja, Bob, das ist ein riesengroßer Teller FETTIGE SARDINEN!
Das Badezimmer war direkt auf der anderen Seite des kurzen Flurs. Die Tür stand offen, die Klobrille war hochgeklappt. Dan stürzte darauf zu, fiel auf die Knie und kotzte eine gewaltige Flut aus bräunlich gelbem Glibber auf eine im Wasser schwimmende Kackwurst. Er wandte den Blick ab, grapschte nach dem Spülhebel, fand ihn, drückte ihn. Das Wasser rauschte, aber es fehlte das begleitende Gurgeln von im Ablauf verschwindendem Wasser. Er sah wieder hin und erblickte etwas Alarmierendes: Die Wurst, wahrscheinlich seine eigene, stieg auf einem Meer aus halb verdautem Kneipenfutter zum mit Urin bespritzten Rand der Toilettenschüssel empor. Kurz bevor die Schüssel überlief und den banalen Horror dieses Morgens vervollkommnete, räusperte sich etwas im Abfluss, und der ganze Schlamassel rauschte davon. Dan erbrach sich ein zweites Mal, dann hockte er mit gesenktem Kopf auf den Fersen da, den Rücken an die Badezimmerwand gelehnt, und wartete, bis der Spülkasten sich gefüllt hatte, damit er noch einmal spülen konnte.
Nie wieder. Das schwöre ich. Kein Schnaps mehr, keine Kneipen mehr, keine Schlägereien mehr. Das versprach er sich zum hundertsten Mal. Oder zum tausendsten.
Eines war sicher: Er musste diese Stadt verlassen, oder er bekam womöglich Probleme. Ernste Probleme waren nicht völlig ausgeschlossen.
Na, Johnny, was haben wir für den heutigen Gewinner unseres Hauptpreises? Bob, das sind ZWEI JAHRE IM STAATS GEFÄNGNIS WEGEN BELEIDIGUNG UND KÖRPERVER LETZUNG!
Und … das Studiopublikum flippt aus.
Der Spülkasten hatte sich geräuschvoll wieder gefüllt und war verstummt. Dan griff nach der Taste, um Der Morgen danach, zweiter Teil wegzuspülen, hielt jedoch inne und konzentrierte sich auf das schwarze Loch seines Kurzzeitgedächtnisses. Kannte er den eigenen Namen? Ja! Daniel Anthony Torrance. Kannte er den Namen der Frau, die auf der Matratze im anderen Zimmer schnarchte? Ja! Deenie. An ihren Nachnamen erinnerte er sich zwar nicht, aber wahrscheinlich hatte sie ihm den auch gar nicht verraten. Kannte er den Namen des derzeitigen Präsidenten?
Zu Dans Schrecken war das zuerst nicht der Fall. Der Typ hat eine coole Elvis-Frisur und spielte Saxofon – ziemlich schlecht. Aber sein Name …?
Weißt du überhaupt, wo du bist?
In Cleveland? In Charleston? Entweder das eine oder das andere.
Während er die Spülung betätigte, tauchte in seinem Kopf mit fantastischer Klarheit der Namen des Präsidenten auf. Und Dan war weder in Cleveland noch in Charleston. Er war in Wilmington, North Carolina. Dort arbeitete er als Krankenpfleger im Grace of Mary Hospital. Beziehungsweise er hatte da gearbeitet. Es war an der Zeit weiterzuziehen. Wenn er irgendwo anders hinkam, in eine gute Stadt, dann war er vielleicht in der Lage, mit dem Trinken aufzuhören und von vorn anzufangen.
Er erhob sich und blickte in den Spiegel. Der Schaden war nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte. Die Nase war geschwollen, aber nicht gebrochen – zumindest hatte er den Eindruck. Getrocknete Blutkrusten über seiner geschwollenen Oberlippe. An seinem rechten Wangenknochen war ein blauer Fleck (der Cowboy war Linkshänder gewesen), in dessen Mitte sich der blutige Eindruck eines Rings befand. Ein weiterer Bluterguss, ein großer, breitete sich oberhalb der linken Achselhöhle aus. Der
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