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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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zündete das Gas an, um seinen Frühstückskaffee zu bereiten. Da erinnerte er sich, daß er kein Brot im Haus hatte — nun, so würde er eben Zwieback und Marmelade essen. Da im Küchenschrank auch keine Marmelade zu finden war, ersetzte er sie durch ein Glas Mixed Pickles. Er saß kauend am Küchentisch und tauchte ab und zu einen Kochlöffel in eine Dose Ananaswürfel, die er hinter dem Kühlschrank entdeckt hatte. Er trug sein letztes reines Hemd; am nächsten Morgen würde er im St.-Swithin wohl in dem gestreiften Leibchen erscheinen müssen, das er vor dreißig Jahren getragen hatte, als er den Rugby-Cup für das Hospitalsteam erwarb. 1
    Er goß etwas Sirup in die Ananasdose. Im Flur läutete das Telefon.
    «Lancelot? Hab ich Sie aus Ihrem königlichen Bett aufgestöbert? Wie geht’s?»
    «Ich schlemme bereits an meinem Frühstückstisch, Amelia. Gestern abend führte ich den Vorsitz beim jährlichen Dinner des Schachklubs vom St.-Swithin.»
    «Klingt nicht gerade nach einer Orgie.»
    «Ich muß leider sagen, daß das jährliche Dinner jedes Studentenklubs vom St.-Swithin sogar im alten Babylon Aufsehen erregt hätte. Vielleicht mit Ausnahme der Christlichen Studentenbewegung, aber die servieren wahrscheinlich das Obst in einem übertünchten Grab.»
    «Wenn wir schon von Gräben sprechen — müssen wir heute dorthin zurück?»
    «Nein. Die Bauarbeiter haben zwar ihren Streik abgebrochen, aber unglückseligerweise wird bereits seit Monaten die Fabrik bestreikt, welche die Spezialkabel erzeugt. Mir schwebt eine andere Expedition vor. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum wir beide an diesem Tag nicht auch streiken sollten.»
    «Eine gute Idee. Kein gesunder Mensch sollte an einem Tag wie heute sich in einem Hospital aufhalten.»
    «Kann ich Sie um neun herum vom Bunter’s abholen?»
    Das Lüftchen draußen kitzelte seine Nase wie die Bläschen in einem morgendlichen Glas Mineralwasser. Es war ermutigend zu sehen, wie sehr das Wetter seinen schwerwiegenden Entschluß begünstigte. Er lenkte seinen alten Rolls nach Mayfair, mit den Gedanken bei Amelia. Sie war eine eigenwillige Frau, gewiß. Sie wachte eifersüchtig über ihre Rechte und hegte ständig irgendeinen Verdacht. Aber sie amüsierte ihn, und sie spannte seinen Verstand über ihre Finger wie ein Gummiband.
    Er dachte auch an die Oberin. Sie hatte in der Lorbeerlaube der Apricot Avenue verwirrend attraktiv ausgesehen. Sie hätte sein Haus so sauber gehalten wie seinen OP und für ihn so sorgsam gekocht wie für einen Magenkranken. Aber sie würde ihm wahrscheinlich ständig einschärfen, auf seine Verdauung zu achten, sich die Nase zu putzen und wollene Unterwäsche zu trage.
    Er dachte auch an seine erste Frau. Um wie vieles leichter wandelt ein Mann durch sein Leben, bevor er an der progressiven Arthritis der Gewohnheit zu leiden beginnt. Sie war Stationsschwester im Nachtdienst gewesen, er Turnusarzt, was sie so unausweichlich miteinander verkuppelt hatte wie die Geschwister aus Pharaonengeschlechtern. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Seine Frau in der Mitte des Lebens zu verlieren war nicht nur eine Tragödie, sondern auch eine große Unannehmlichkeit.
    «Ist die liebliche Maid aus Perth zu Ihnen zurückgekehrt?» fragte Amelia, als sie in sein Auto kletterte. Er schüttelte den Kopf. «Ich dachte, es wäre ihr vielleicht das Vogelfutter ausgegangen.»
    «Ja, ich habe wirklich noch nie von einer so innigen Bindung zwischen einer Frau und einem Federvieh gehört, seit Leda und dem Schwan.»
    «Wohin fahren wir?» fragte sie verdutzt, als er nordwärts fuhr. «Dieses Kricketmatch muß doch jetzt endlich aus sein?»
    «Ich dachte, Sie würden sich vielleicht gern einen Ort ansehen, den ich seit etlichen zwanzig Jahren nicht mehr besucht habe, der aber genauso aussehen wird wie damals.»
    «Sie sprechen sehr zuversichtlich.»
    «Weil er sich in den letzten siebenhundertfünfzig Jahren nicht wesentlich verändert hat. Übrigens», fügte er großmütig hinzu, «rauchen Sie ruhig, wenn Sie wollen.»
    «Ich habe das Rauchen aufgegeben», erklärte sie stolz.
    «Sehr gut. Viel weniger gefährlich. Heutzutage scheinen die Menschen sonst nur den Mut zu haben, ihren Süchten nachzugeben.»
    «Ich gab es auf, weil ich Ihre Ansichten respektiere.»
    Er sah erfreut aus. «Meine Ansichten würden Sie in der Harley Street teuer zu stehen kommen.»
    «Das ist belanglos. Jeder Arzt, den ich kenne, tut so, als wollte ich mir den Bauch aufschlitzen, sobald ich

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