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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Schweine, die immer draufzahlen und immer zu leiden haben.»
    «Zwei Neuner.»
    «Nichts.»
    «Wie können Sie erwarten, daß das Land zusammenhält, wenn Leute wie Sie ständig die eine Hälfte gegen die andere aufhetzen?»
    «Ich erwart es trotzdem.» Harold grinste. «Letzten Sonntag hab ich mir im Fernsehen angeschaut. Wollte schon den andern Kanal einschalten, da entdeckte ich etwas. Dieser Shakespeare und ich sprechen dieselbe Sprache. Das alles ist nicht in Dänemark passiert. Es ist in der Old Kent Road passiert. Sehen Sie, da ist dieser Prinz Hamlet und dieser Totengräber -»
    «Das Stück ist mir vertraut.»
    «Wer sind die beiden, Chef? Sie und ich. Wir beide kennen unseren Platz. Sie spielen den Prinzen. Ich werde Sie begraben. Wir beide achten einander. Und wir lecken einander auch nicht gegenseitig den Arsch. Wir lassen’s uns gutgehen, uns tun die, die schlimmer dran sind, leid, und wir verstehen dieselben Späße. Und das alles hält uns zusammen. Vier Königinnen.»
    «Es gibt eine göttliche Kraft, die unsere Ziele bestimmt. Vier Asse.»
    Harold fegte die Karten weg. «Ich bin pleite. Hätte mich nie darauf einlassen dürfen, mit einem so gerissenen Kerl wie Sie Karten zu spielen.»
    «Da sind Sie endlich!» Eine schneidende Stimme ertönte vom anderen Ende des Raums. Sir Lancelot erbebte. Die Oberin winkte ihn zur Tür. «Warum verstecken Sie sich hier im Keller? Überall hab ich nach Ihnen Ausschau gehalten.»
    Harold nahm seine Patience wieder auf.
    «Ich nehme an, Sie schämen sich zu Tode», sprach sie auf Sir Lancelot mit leiser Stimme ein. «Ihr Benehmen am vergangenen Dienstag war schlimmer, als es je seit der Beseitigung des Würgers von Boston eine Frau ertragen mußte. Vermutlich waren Sie nach diesem Rugby
    Club-Dinner volltrunken. Sie sollten sich wirklich einmal merken, daß Sie kein Student mehr sind. Ich möchte, daß Sie den Aufruhr im Vorhof des Hospitals beschwichtigen.»
    «Was ist denn jetzt schon wieder los?» klagte er gereizt. «Sollte der Mob gekommen sein, um die Fenster einzuschlagen — um so besser. Sie sind seit Monaten nicht mehr geputzt worden.»
    «Ich weiß es nicht», sagte sie, plötzlich hilflos. «Es ist alles so verwirrend. Ich rief die Polizei an, aber sie war gar nicht interessiert. Kein Wunder, daß es in Spratt’s Bottom kein Recht und keine Ordnung mehr gibt. Ich muß darauf bauen, daß eine autoritäre Persönlichkeit wie Sie die Leute wieder zur Vernunft bringt.»
    Da Sir Lancelot sich der Oberin irgendwie vage und schuldvoll verpflichtet fühlte, begleitete er sie den langen Korridor entlang in die Wandelhalle. Etwa ein Dutzend Patienten lugte interessiert durch die Fenster. Das Fernsehteam hielt sich noch immer im Vorhof auf, seine Anwesenheit stimulierte die zwei- bis dreihundert Männer und Frauen aller Altersstufen, die sich bis zu den angrenzenden Gehsteigen drängten. Einige schrien, einige sangen, einige hüpften auf und nieder, einige schwenkten Plakate hin und her. Die Menschenansammlung erschien Sir Lancelot identisch mit jeder anderen, die allerorten im Land demonstrierte, gegen irgend etwas, das im Augenblick Mißfallen erregte.
    «Sie sehen ganz harmlos aus», bemerkte er zur Oberin, die sich wie er innerhalb der Eingangstür aufhielt.
    «Dann gehen Sie hinaus und sagen Sie ihnen, sie sollen Weggehen.»
    «Das ist keine Aktion, die mich zur Begeisterung hinreißt. Nur zu Weihnachten lade ich die Sänger zu einem Drink ein.»
    «Ich mag nicht, daß die Leute den Vorhof des Heiligen Grabs so behandeln, als wäre er die Zuschauertribüne eines Fußballplatzes», sagte die Oberin erbost. «Wenn Sie sich fürchten, dann nehme ich die Sache selbst in die Hand.»
    «Na, schön und gut.» Sir Lancelot hatte das dumpfe Gefühl, er müsse seine Männlichkeit vor der Frau demonstrieren, die seinetwegen ihr Kleid ausgezogen hatte und der jetzt nichts anderes übrigblieb, als ihn zu verspotten. Mit der Miene Heinrichs V., als er sich in die Bresche stürzte, öffnete er die Eingangstür.
    «Guten Morgen, meine Damen und Herren», deklamierte er auf der Vortreppe. Die Demonstranten erstarrten in Schweigen. Alle glotzten ihn an. Er fragte sich, wie das nun weitergehen sollte. «Noch dazu ist es ein wirklich schöner Morgen», bemerkte er entgegenkommend.
    Ihm fiel auf, daß die Eindringlinge im Vorhof vier Gruppen bildeten. Die größte Gruppe umringte einen hochgewachsenen, knochigen, wild um sich blickenden Mann in einem grünen

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