Marcus Gladiator 02 - Strassenkämpfer
I
Marcus wusste sofort, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte, als er in die Ecke des kleinen Innenhofes zurückgewichen war. Er spürte, wie der Absatz seiner Sandale gegen den aufgesprungenen Putz der Wand schabte, und machte instinktiv einen halben Schritt nach vorn, um mehr Bewegungsfreiheit zu gewinnen. So hatte er es während der Ausbildung in Porcinos Gladiatorenschule gelernt – man musste sich in einem Kampf immer seine Bewegungsfreiheit erhalten, sonst überließ man dem Gegner die Initiative und war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Diese Lektion hatte Taurus, der strenge und grausame Hauptausbilder, seinen jungen Gladiatorenanwärtern eingebläut.
Marcus war hoch aufgeschossen für seine elf Jahre. Die harte Ausbildung hatte ihn zäh gemacht und ihm einiges Geschick im Umgang mit dem Schwert vermittelt. Trotzdem wusste er, dass er nur geringe Chancen auf Erfolg hatte, als er seinem Gegner, einem drahtigen Mann von etwa dreißig Jahren, entgegentrat: Auf flinken Füßen und mit wachen Augen ahnte der beinahe jede Bewegung voraus, die Marcus machte.
Marcus blinzelte, um eine Schweißperle aus dem Auge zu verdrängen, und warf all seine Ängste über Bord. Er wusste, dass seine einzige Hoffnung darin bestand, etwas Unerwartetes zu tun – etwas, für das sein Gegner keine Abwehr parat hatte. Aus der Art und Weise, wie der Mann sich bewegte und sein Kurzschwert einsetzte, wurde deutlich, dass er ein ausgebildeter Soldat oder vielleicht ein Gladiator wie Marcus war. Als der Mann sein Schwert gezogen hatte und dem Jungen gegenübergetreten war, hatte er mit einigen wenigen trägen Hieben und Paraden begonnen. Doch das verächtliche Grinsen, das zunächst auf seinen Zügen gelegen hatte, war ihm rasch vergangen, als Marcus selbstbewusst reagierte und die Schwerthiebe des Mannes zur Seite ablenkte. Es war eine kurze Pause eingetreten, in der der Mann sich einige Schritte zurückzog, um einen Blick auf diesen jungen Gegner zu werfen.
»Also doch nicht so feucht hinter den Ohren«, knurrte er. »Trotzdem bist du nichts als ein junger Hund, dem eine ordentliche Tracht Prügel nicht schaden würde. Und die kriegst du von mir.« Dann begann er, ernsthaft gegen Marcus zu kämpfen. Das Klirren ihrer Schwerthiebe hallte von den Wänden des Innenhofes wider. Von draußen, von der römischen Seitengasse, die hinter dem Hof vorbeilief, drang durch das Rauschen des Blutes gedämpft und schwach Stimmengewirr an Marcus’ Ohr. Er schenkte dem keine Aufmerksamkeit und konzentrierte sich nur auf den Gegner, beobachtete jede Andeutung einer Bewegung, die auf den nächsten Angriff schließen ließ.
Der Mann war ein guter Kämpfer. Gegen einen Könner wie Taurus hätte er kaum einige Herzschläge lang standgehalten, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis er Marcus besiegen würde. Trotz der raschen, wilden Bewegungen des Jungen hatte der Mann Marcus schon bald in die Ecke gedrängt, wo er nun mit dem Rücken zur Wand eingekeilt stand.
Kurz gab Marcus der Angst nach, der Mann könnte gegen ihn gewinnen, und verfluchte sich dafür, dass er es so weit hatte kommen lassen. Mit aller Macht verdrängte er diesen Gedanken aus seinem Kopf und kauerte sich auf der gestampften Erde und den Pflastersteinen des Innenhofes zusammen. Er verschob das Gewicht leicht nach vorn und balancierte auf den Fußballen, bereit, sich jeden Augenblick nach vorn oder zur Seite zu werfen. Das Schwert hielt er waagerecht vom Körper weg; so konnte er damit zu einem Angriff ausholen oder einen Hieb parieren, den der Mann gegen ihn ausführen würde. Die linke Hand hatte er ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten.
Die beiden starrten einander an.
Marcus bemerkte eine Bewegung hinter dem Mann. Eine Gestalt, die ihnen vom Toreingang am anderen Ende des Innenhofes zusah, änderte ein wenig ihre Haltung.
Der Angriff kam, als Marcus nur einen Moment zur Seite geblickt hatte. Mit einem gewaltigen Brüllen stürzte sich der Mann nach vorn und hieb mit seinem Schwert nach Marcus’ Kopf. Der Junge duckte sich zur Seite, als die Spitze der Klinge nur wenige Zoll von seinem Gesicht entfernt durch die Luft sauste. Er schlug auf den Schwertarm seines Gegners ein und spürte einen kleinen Ruck, als die Klinge seines Schwertes die Haut des Mannes verletzte.
Fluchend wich der Mann zurück und hob den Arm, um einen schnellen Blick auf die Wunde zu werfen. Es war nur ein kleiner Kratzer, aber das Blut floss reichlich, und schon bald malten die
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