Doktor Faustus
zu bezeichnen und in Worten zu denunzieren ist. Das ist die geheime Lust und Sicherheit der Höllen, daß sie nicht denunzierbar, daß sie vor der Sprache geborgen ist, daß sie eben nur ist, aber nicht in die Zeitung kommen, nicht publik werden, durch kein Wort zur kritisierenden Kenntnis gebracht werden kann, wofür eben die Wörter ‹unterirdisch›, ‹Keller›, ‹dicke Mauern›, ‹Lautlosigkeit›, ‹Vergessenheit›, ‹Rettungslosigkeit› die schwachen Symbole sind. Mit Symbolis, mein Guter, muß man sich durchaus begnügen, wenn man von der Höllen spricht, denn dort hört alles auf, – nicht nur das anzeigende Wort, sondern überhaupt alles, – dies ist sogar das hauptsächliche Charakteristikum, und das was im allgemeinsten darüber {358} auszusagen, zugleich das, was der Neukömmling dort zuerst erfährt, und was er zunächst mit seinen sozusagen gesunden Sinnen gar nicht fassen kann und nicht verstehen will, weil die Vernunft oder welche Beschränktheit des Verstehens nun immer, ihn darin hindert, kurz, weil es unglaublich ist, unglaublich zum Kreideweißwerden, unglaublich, obgleich es einem gleich zur Begrüßung in bündig nachdrücklichster Form eröffnet wird, daß ‹hier alles aufhört›, jedes Erbarmen, jede Gnade, jede Schonung, jede letzte Spur von Rücksicht auf den beschwörend ungläubigen Einwand ‹Das könnt und könnt ihr doch mit einer Seele nicht tun›: es wird getan, es geschieht, und zwar ohne vom Worte zur Rechenschaft gezogen zu werden, im schalldichten Keller, tief unter Gottes Gehör, und zwar in Ewigkeit. Nein, es ist schlecht davon reden, es liegt abseits und außerhalb der Sprache, diese hat nichts damit zu tun, hat kein Verhältnis dazu, weshalb sie auch nie recht weiß, welche Zeitform sie darauf anwenden soll und sich aus Not mit dem Futurum behilft, wie es ja heißt: ‹Da wird sein Heulen und Zähneklappern›. Gut, das sind ein paar Wortlaute, aus ziemlich extremer Sphäre der Sprache gewählt, aber eben doch nur schwache Symbole und ohne rechte Beziehung zu dem, was da ‹sein wird›, – rechenschaftslos, in Vergessenheit, zwischen dicken Mauern. Richtig ist, daß es in der Schalldichtigkeit recht laut, maßlos und bei weitem das Ohr überfüllend laut sein wird von Gilfen und Girren, Heulen, Stöhnen, Brüllen, Gurgeln, Kreischen, Zetern, Griesgramen, Betteln und Folterjubel, so daß keiner sein eigenes Singen vernehmen wird, weil's in dem allgemeinen erstickt, dem dichten, dicken Höllengejauchz und Schandgetriller, entlockt von der ewigen Zufügung des Unglaublichen und Unverantwortlichen. Nicht zu vergessen das ungeheuere Ächzen der Wollust, das sich hineinmischt, denn eine unendliche Qual, der kein Versagen des Erleidens, kein Kollaps, keine Ohnmacht als Grenze gesetzt ist, artet statt des {359} sen in Schandvergnügen aus, weshalb solche, die einige intuitive Kunde haben, ja auch von der ‹Wollust der Hölle› sprechen. Damit aber hängt das Element des Hohnes und der extremen Schmach zusammen, das sich mit der Marter verbindet; denn diese Höllenwonne kommt einer grunderbärmlichen Verhöhnung des maßlosen Erleidens gleich und ist von schnödem Fingergezeig und wieherndem Gelächter begleitet: daher die Lehre, daß die Verdammten zur Qual auch noch den Spott und die Schande haben, ja, daß die Hölle als eine ungeheuerliche Verbindung von völlig unerträglichem, dennoch aber ewig auszustehendem Leiden – und Verspottung zu definieren ist. Da werden sie ihre Zungen fressen für großen Schmerzen, bilden darum aber keine Gemeinschaft, sondern sind untereinander voller Hohn und Verachtung und rufen einander beim Trillern und Ächzen die schmutzigsten Schimpfworte zu, wobei die Feinsten und Stolzesten, die nie ein gemeines Wort über ihre Lippen ließen, gezwungen sind, die allerschmutzigsten zu gebrauchen. Ein Teil ihrer Qual und Schandlust besteht darin, über die äußerst schmutzigsten nachzudenken.‹
Ich:
›Erlaubt, dies ist das erste Wort, das ihr mir über die Art der Leiden sagt, die die Verdammten dort zu erdulden haben. Bemerkt gefälligst, daß ihr mir eigentlich nur über die Effekte der Höllen gelesen habt, nicht aber über das, was nun der Sache nach und in der Tat die Verdammten dort zu erwarten haben.‹
Er:
›Deine Neugier ist knabenhaft und indiskret. Ich stelle das in den Vordergrund, bin aber recht wohl dessen gewahr, mein Guter, was sich dahinter verbirgt. Du versuchst, mich auszufragen, um dir bange machen zu lassen,
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