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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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langsamen, nasigen Schauspielerstimme:
    ›Daß wir zum Ende und zum Beschluß kommen, wird dir genehm sein. Habe dir viel Zeit und Weile gewidmet, das Ding mit dir durchzureden, – verhoffentlicht erkennst du's an. Bist aber auch ein attraktiver Fall, das bekenne ich frei. Von früh an hatten wir ein Auge auf dich, auf deinen geschwinden, hoffärtigen Kopf, dein trefflich ingenium und memoriam. Da haben sie dich die Gotteswissenschaft studieren lassen, wie's dein Dünkel sich ausgeheckt, aber du wolltest dich bald keinen Theologum mehr nennen, sondern legtest die Hl. Geschrift unter die Bank und hieltest es ganz hinfort mit den figuris, characteribus und incantationibus der Musik, das gefiel uns nicht wenig. Denn deine Hoffart verlangte es nach dem Elementarischen, und du gedachtest es zu gewinnen in der dir gemäßesten Form dort, wo's als algebraischer Zauber mit stimmiger Klugheit und Berechnung vermählt und doch zugleich gegen Vernunft und Nüchternheit allzeit kühnlich gerichtet ist. Wußten wir denn aber nicht, daß du zu gescheit und kalt und keusch seist fürs Element, und wußten wir nicht, daß du dich darob ärgertest und dich erbärmlich ennuyiertest mit deiner schamhaften Gescheitheit? So richteten wir's dir mit Fleiß, daß du uns in die Arme liefst, will sagen: meiner Kleinen, der Esmeralda, und daß du dir's holtest, die Illumination, das Aphrodisiacum des Hirns, nach dem es dich mit Leib und Seel und Geist so gar verzweifelt verlangte. Kurzum, zwischen uns braucht's keinen vierigen Wegscheid im Spesser Wald und keine Zirkel. Wir sind im Vertrage und im Geschäft, – mit deinem Blut hast du's bezeugt und dich gegen uns versprochen und bist auf uns getauft – dieser mein Besuch gilt nur der Konfir {363} mation. Zeit hast du von uns genommen, geniale Zeit, hochtragende Zeit, volle vierundzwanzig Jahr ab dato recessi, die setzen wir dir zum Ziel. Sind die herum und vorüber gelaufen, was nicht abzusehen, und ist so eine Zeit auch eine Ewigkeit, – so sollst du geholt sein. Herwiderumb wollen wir dir unterweilen in allem untertänig und gehorsam sein, und dir soll die Hölle frommen, wenn du nur absagst allen, die da leben, allem himmlischen Heer und allen Menschen, denn das muß sein.‹
    Ich
(äußerst kalt angeweht): ›Wie? Das ist neu. Was will die Klausel sagen?‹
    Er:
›Absage will sie sagen. Was sonst? Denkst du, Eifersucht ist nur in den Höhen zuhause und nicht auch in den Tiefen? Uns bist du, feine, erschaffene Creatur, versprochen und verlobt. Du darfst nicht lieben.‹
    Ich
(muß wahrlich lachen): ›Nicht lieben! Armer Teufel! Willst du dem Ruf deiner Dummheit Ehre machen und dir selbst ein Schellen anhängen als einer Katzen, daß du Geschäft und Versprechen gründen willst auf einen so nachgiebigen, so verfänglichen Begriff wie – Liebe? Will der Teufel die Lust prohibieren? Wo nicht, so muß er die Sympathie in Kauf nehmen und sogar die Caritas, sonst ist er betrogen wie es im Buche steht. Was ich mir zugezogen, und weswegen du willst, ich sei dir versprochen, – was ist denn die Quelle davon, sag, als die Liebe, wenn auch die von dir mit Zulassung Gottes vergiftete? Das Bündnis, worin wir nach deiner Behauptung stehen, hat ja selbst mit Liebe zu tun, du Dummkopf. Willst, daß ich's wollte und in den Wald ging, an den vierigen Wegscheid, um Werkes willen. Aber man sagt ja, Werk habe selbst mit Liebe zu tun.‹
    Er
(durch die Nase lachend): ›Do, re, mi! Sei versichert, daß deine psychologischen Finten bei mir nicht besser verfangen als die theologischen! Psychologie – daß Gott erbarm', hältst du's noch mit der? Das ist ja schlechtes, bürgerliches neunzehntes Jahrhundert! Die Epoche ist ihrer jämmerlich satt, bald {364} wird sie das rote Tuch für sie sein, und der wird einfach eins über den Schädel bekommen, der das Leben stört durch Psychologie. Wir leben in Zeiten hinein, mein Lieber, die nicht chikaniert sein wollen von Psychologie … Dies beiseite. Mein Bedingnis war klar und rechtschaffen, bestimmt vom legitimen Eifer der Hölle. Liebe ist dir verboten, insofern sie wärmt. Dein Leben soll kalt sein – darum darfst du keinen Menschen lieben. Was denkst du dir denn? Die Illumination läßt deine Geisteskräfte bis zum Letzten intakt, ja steigert sie zeitweise bis zur hellichten Verzückung, – woran soll es am Ende denn ausgehen, als an der lieben Seele und am werten Gefühlsleben? Eine Gesamterkältung deines Lebens und deines Verhältnisses zu

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