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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ich sage besser: Herablassendes hat, welches mich an eine frühe Vorhersage aus unterdessen verstummtem Munde erinnerte. – Adrian lehnte es denn auch ab, als das Stück geendigt, vor dem sehr beifallsfreudigen Publikum zu erscheinen und hatte das Haus schon verlassen, als man nach ihm suchte. Wir trafen ihn später, die Veranstalter, der glückstrahlende Rudi und ich, in dem Restaurant des kleinen Hotels in der Herrengasse, wo er abgestiegen war, während Schwerdtfeger es sich schuldig zu sein geglaubt hatte, in einem Ring-Hotel Wohnung zu nehmen.
    Die Nachfeier war kurz, da Adrian Kopfschmerzen hatte. Ich kann es aber aus der augenblicklichen Auflockerung seines Daseins verstehen, daß er sich am folgenden Tage entschloß, nicht sogleich nach Haus Schweigestill zurückzukehren, sondern seiner Welt-Freundin die Freude seines Besuches auf ihrem ungarischen Gute zu machen. Die Bedingung ihrer Abwesenheit war erfüllt, da sie ja – unsichtbar – in Wien weilte. Seine kurzfristige Anmeldung richtete er telegraphisch direkt nach dem Gut, worauf, wie ich annehme, eilige Verständigungen zwischen diesem und einem Wiener Hotel hin und her flogen. Er reiste, und sein Reisebegleiter war leider nicht ich, der ich kaum für das Konzert von meinen Amtspflichten mich hatte frei machen können, es war diesmal auch nicht Rüdiger Schildknapp, der Gleichäugige, der sich gar nicht nach Wien bemüht, auch wohl die Mittel dazu nicht besessen hatte. Sondern es war, sehr erklärlicher Weise, Rudi Schwerdtfeger, der frei für den Abstecher und zur Stelle war, mit dem es soeben ein glückliches künstlerisches Zusammenwirken gegeben hatte, {574} und dessen unermüdbare Zutraulichkeit überhaupt gerade um diese Zeit von Erfolg, – einem verhängnisschweren Erfolg, gekrönt wurde.
    In seiner Gesellschaft also verbrachte Adrian, der empfangen wurde, als sei er der von Reisen heimkehrende Gebieter, zwölf Tage in einer Häuslichkeit von vornehmer Pracht, den dix-huitième-Sälen und -Gemächern von Schloß Tolna, sowie auf Wagenfahrten durch das fürstentumgroße Gutsgebiet und nach den heiteren Gestaden des Plattensees, betreut von einer demutsvollen, zum Teil türkischen Dienerschaft und als Nutznießer einer fünfsprachigen Bibliothek, zweier herrlicher Flügel auf dem Podium des Musiksaales, einer Hausorgel und jedweden Luxus. Er sagte mir, das zu der Herrschaft gehörige Dorf hätten die Besucher im Zustande tiefster Armut, auf ganz und gar archaischer, vor-revolutionärer Lebensstufe gefunden. Ihr Führer, der Gutsverwalter selbst, habe ihnen unter mitleidigem Kopfschütteln und als wissenswerte Merkwürdigkeit erzählt, daß die Bewohner nur einmal im Jahre, um Weihnachten, Fleisch zu essen und nicht einmal Unschlittkerzen zu brennen hätten, sondern buchstäblich mit den Hühnern zu Bette gingen. An diesen beschämenden Umständen, gegen die Gewohnheit und Unwissenheit die Menschen unempfindlich machten, zum Beispiel an dem unbeschreiblichen Schmutz der Dorfstraße, dem völligen Mangel an Hygiene in den Wohnkaten etwas zu ändern, wäre wohl ein revolutionärer Akt gewesen, dessen kein Einzelner, am wenigsten eine Frau sich unterwinden konnte. Aber es läßt sich vermuten, daß der Anblick des Dorfes zu den Dingen gehörte, die Adrians verborgener Freundin den Aufenthalt auf ihrer Besitzung verleideten.
    Im übrigen bin ich nicht der Mann, von dieser leicht exzentrischen Episode in meines Freundes strengem Leben ein mehr als skizzenhaftes Bild zu geben. Nicht ich war ihm dabei zur Seite und hätt' es nicht sein können, selbst wenn er mich dazu {575} aufgefordert hätte. Schwerdtfeger war es, er könnte berichten. Aber er ist tot. –

XXXVII
    Ich täte besser, diesem Abschnitt, gleich früheren, keine eigene Ziffer zuzubilligen, sondern ihn als Fortsetzung des vorigen, durchaus noch als zu diesem zugehörig zu kennzeichnen. Ohne tiefere Zäsur fortzufahren, wäre das Rechte, denn immer noch läuft das Kapitel »Welt«, das Kapitel von meines verewigten Freundes Verhältnis oder Unverhältnis zu ihr, – die hier nun freilich aller geheimnisvollen Diskretion entsagt und sich nicht mehr als tiefverschleierte Schutzgöttin und Senderin kostbarer Symbole, sondern in dem naiv zudringlichen, keine Einsamkeit scheuenden, leichthin engagierenden und bei all dem für mich sogar anziehenden Typ des Herrn Saul Fitelberg verkörpert, eines internationalen Musik-Gewerbmannes und Konzert-Unternehmers, der eines schönen

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