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Doktor Proktors Zeitbadewanne

Doktor Proktors Zeitbadewanne

Titel: Doktor Proktors Zeitbadewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Lise versuchte vorsichtig, die Briefmarke mit einer Pinzette abzuziehen.
    »Es klappt!«, rief Lise. »Woher hast du gewusst, dass man mit Wasserdampf Briefmarken abkriegt?«
    »Ach, das gehört zum Einmaleins des Detektivs«, sagte Bulle, der trotzdem selbst auch ein wenig überrascht dreinschaute.
    »Schau mal, unter der Briefmarke ist etwas geschrieben, aber die Buchstaben sind so klein, dass ich sie nicht lesen kann«, sagte Lise und hielt die Karte unter die Lampe. »Vielleicht kannst du es besser lesen, du bist ja, äh, kleiner?«
    »Und was soll das damit zu tun haben?« Bulle zog eine Augenbraue hoch.
    Lise zuckte mit den Schultern. »Kleine Menschen kommen mit kleineren Kleidungsgrößen zurecht und brauchen kleinere Autos. Warum sollen sie nicht auch kleinere Schrift lesen können?«
    »Lass mal sehen«, sagte Bulle, schnappte sich die Karte und nahm sie blinzelnd in Augenschein.
    »Nix«, sagte er und streckte die Hand aus, ohne Lise anzuschauen. »Optische Hilfsmittel, wenn ich bitten darf.«
    Lise suchte die Lupe ihrer Mutter aus einer Küchenschublade und platzierte sie in Bulles offener Hand.
    »A-ha«, sagte Bulle, als er sah, was da geschrieben stand.
    Nämlich dies:

    »Ja, klar, verstanden«, murmelte Bulle und führte das Vergrößerungsglas weiter nach unten.
    IN PARIS GEHT IHR SOFORT ZUR PENSION POMM FRITT. DORT DANN...
    . . .RÜSSE DOKTOR PROKTOR
    »He!«, rief Bulle. »Was ist das? Da fehlt was!«
    »Vom Regen weggewaschen«, flüsterte Lise atemlos über seiner Schulter. »Steht noch was da?«
    Bulle führte die Lupe noch etwas weiter nach unten.
    PS: LABORSCHLÜSSEL IN GENIALEM VERSTECK: UNTER FUSSMATTE
    »Worauf warten wir noch?«, rief Bulle.
    »Auf die Plätze!«, rief Lise.
    »Los!«, riefen sie beide im Chor.
    Und sie sprangen von ihren Stühlen auf. Lise nahm noch die Taschenlampe ihres Vaters aus der untersten Schublade des Küchenschranks und sie liefen auf die Kanonenstraße hinaus. Dunkelheit und Stille lagen über den Gärten und Holzhäusern. Der Mond schaute neugierig zu, wie sie über den Zaun des kleinsten Hauses mit dem höchsten Gras kletterten. Sie spurteten am Birnbaum vorbei zur Kellertür und hoben dort die Fußmatte an.
    Und tatsächlich, im Mondschein glitzerte ein Schlüssel.
    Sie steckten ihn ins Schloss der alten, ungestrichenen Tür, und als sie ihn umdrehten, quietschte das Metall warnend.
    Sie hielten inne und sahen die Tür an.
    »Du zuerst«, flüsterte Lise.
    »Kein Problem«, sagte Bulle und schluckte.
    Er holte Luft. Dann trat er so feste, wie er nur konnte, gegen die Tür.
    Die Scharniere kreischten, als die Tür aufschwang. Kalte, abgestandene Kellerluft waberte ihnen entgegen, über ihren Köpfen flatterte etwas nach draußen und verschwand in der Nacht, etwas, bei dem es sich um einen ungewöhnlich großen Nachtfalter oder eine mittelgroße Fledermaus handeln mochte.
    »Uuuuh«, sagte Lise.
    »Und buuuuh«, sagte Bulle, schaltete die Taschenlampe an und spazierte hinein.
    Lise blickte hinter sich. Sogar der friedliche Birnbaum sah aus, als griffe er mit Hexenfingern nach dem Mond. Sie zog ihre Jacke enger um sich und folgte Bulle eilig.
    Aber er war schon verschwunden, alles war nur noch stumme Finsternis.
    »Bulle.« Lise flüsterte, denn sie wusste, wenn man laut im Dunkeln sprach, dann hallte es so, dass man sich noch einsamer fühlte.
    »Hier drüben«, flüsterte Bulle. Sie folgte seiner Stimme und entdeckte den Lichtkegel der Taschenlampe, der auf etwas an der Wand gerichtet war.
    »Hast du die Zeitseife gefunden?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte Bulle, »aber dafür die größte Spinne auf der nördlichen Erdhalbkugel. Sie hat sieben Beine und hat sich diese Beine schon länger nicht mehr rasiert. Und sie hat ein derart großes Maul, dass man fast die Lippen sehen kann. Schau dir das Biest bloß mal an!«
    Lise sah, dass an der Wand eine ziemlich gewöhnliche und nicht mal besonders große Spinne saß. »Eine Siebenbeinige Peruanische Saugespinne, die ist wahnsinnig selten!«, flüsterte Bulle begeistert. »Sie saugt anderen Insekten das Hirn raus.« »Das Hirn?« Lise sah Bulle an. »Ich dachte, Insekten haben keine Gehirne.« »Darum ist die Siebenbeinige Peruanische Saugespinne ja auch so selten«, erklärte Bulle flüsternd. »Sie findet fast nirgends Insekten mit Hirnen.« »Und woher weißt du das alles?«, fragte Lise.
    »Steht in...«

    »Sag’s nicht«, unterbrach ihn Lise, »in ›TIERE, DENEN DU NIE BEGEGNEN MÖCHTEST‹.«
    »Genau«,

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