Doktor Proktors Zeitbadewanne
auch für all das gebüßt hatte, was sie versucht hatte zu zerstören. Lise fiel etwas ein, das Bulle im Unterricht zu Frau Strobe gesagt hatte, als sie über Jeanne d’Arc sprachen:
»Wer ein richtiger Held werden will, muss erst mal richtig sterben.«
Lise beschloss, gleich morgen eine Kopie von dem Bild mit Raspa zu machen, sie zu vergrößern und über ihrem Bett an die Wand zu hängen. Nicht nur, weil sie es wirklich großartig fand und alle wussten, dass die Frau darauf eine Heldin war, sondern auch, weil es sie an etwas Wichtiges erinnern sollte. Dass nämlich, auch wenn je mand etwas falsch macht, es nie – nie – zu spät für den Versuch ist, es wiedergutzumachen. Und dass so gesehen jeder von uns die Geschichte ein bisschen umschreiben kann.
Dann klappte Lise das Geschichtsbuch zu und schaute durchs Fenster zu Bulle hinüber.
Und genau: Das Schattentheater hatte begonnen. Man erkannte ganz deutlich einen kleinen Jungen und eine etwas größere Frau, die miteinander Cancan tanzten und sich hin und wieder küssten. Lise kicherte. Bulle schien tatsächlich verliebt zu sein. Und jetzt war er aufgestanden und hüpfte auf seinem Bett wie auf einem Trampolin. Der Schatten – er war doppelt so groß wie Bulle selbst – vollführte einen Salto Mortale und Lise musste lachen, bis sie Schluckauf kriegte. Lachen, bis ihr die Tränen kamen. Lachen, bis sie den Kopf erschöpft aufs Kissen legte und die Augen schloss. Und dann schlief sie ein.
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