Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
schnuppernd.
»Schon möglich … Riechen Sie noch einmal daran.«
»Zitrusfrüchte, aber der Duft verschwindet …«
»Wie der Verehrer. Er taucht auf, überraschend, und schon ist er wieder verschwunden. Glauben Sie mir, das sind die Besten!«
»Der Duft nach Zitrusfrüchten ist tatsächlich fast verflogen. Jetzt tritt Moschus hervor, aber diskret, und … Vanille?«
»Durchaus möglich. Gefällt er Ihnen?«
Aus einer Ecke heraus beobachtete Stucky, wie die Verkäuferin lächelte und überaus höflich Konversation betrieb, wie sie dann sorgfältig und geschickt den Gegenstand verpackte, noch ein paar Bemerkungen mit der Kundin austauschte und diese schließlich verabschiedete.
»Ihnen wird nichts Schlimmes geschehen, Signorina Casale. Seien Sie unbesorgt. Ach, übrigens: Wann war das mit den Telefonaten?«
»Das muss am … 15. oder 16. November gewesen sein.«
Stucky ging die Via Campana hinunter und blickte mit ungewohnter Neugierde in die Schaufenster. Das war eine Welt für sich. Ihm größtenteils unbekannt. Ob sich hinter der Abfolge der Geschäfte wohl irgendein höherer Sinn verbarg? Schreibwaren, Eisdiele, Hemden, Lampen, Perlen und Silber – reiner Zufall?
Beim dritten Laden handelte es sich um eine Tabakwarenhandlung; im Schaufenster lag eine kunstvoll arrangierte Ausstellung von Pfeifen und verschiedenen Tabaksorten.
»Signora Verzieri?«, wandte der Inspektor sich an eine kerzengerade hinter dem Ladentisch stehende Frau, während sein Blick auf das Wappen aus Holz fiel, in das die Aufschrift Tabacchi Verzieri, gegründet 1928 geschnitzt war.
»Was kann ich für Sie tun?«, erwiderte die Frau. Während ihr Blick zu seinem Revers wanderte, blitzte das goldene Muschelgebilde auf, das sie am Ohr trug.
»Sind Sie die Ehefrau des Besitzers?«
»Die Besitzerin! Er war nur ein einfacher Vertreter und glaubt zu jedermanns Gaudium auch heute noch, irgendetwas vertreten zu können.«
»Ich komme wegen der Anrufe. Ich bin Inspektor Stucky.«
»Österreicher?«
»Nein, Signora: Italiener.«
»Wie ich Ihnen bereits am Telefon sagte, war es nichts Besonderes. Zwei oder drei an einem Tag und danach nichts mehr.«
»Wissen Sie noch den Tag?«
»Es war der 13. November, ein Samstag.«
»Was hat man Ihnen gesagt?«
»Ich solle mich schämen …«
»Weil Sie Verkäuferin sind?«
»Ich?«
»Ach ja! Sie sind ja Signora Verzieri, die Besitzerin.«
»Wie meine Großmutter und meine Mutter, und das schon seit 1928!«
Der Dessous-Laden, in dem die vierte Verkäuferin arbeitete, wurde von einer Bank und einer Buchhandlung geradezu eingekeilt.
Von der Auslage im Schaufenster ausgehend, rechnete Stucky auf den Gesamtinhalt des Ladens hoch und kam nur auf ein paar Kilo Warengewicht – wohl einer der leichtesten Geschäftszweige der Stadt.
Signorina Bergamin – so stellte sich das Mädchen vor – war die ideale Repräsentantin der Branche: brünett, attraktiv, aufrecht wie der Blütenstempel einer Lilie. Mit ihrem Blick allein koordinierte sie den kleinen Trupp Mädchen, die die anatomischen Gegebenheiten der Kundinnen in genormte Größen umrechneten, lächelten und Hunderte von »Perfekt!«, »Wunderbar!«, »Entzückend!«, »Bildschön!« an die Frau brachten, während ein himmlischer Reigen vornehmer Damen mit Büstenhaltern in den Farben Mauve, Lachs und Fraise herumhantierte.
»Man hat Ihnen also über das Telefon unangenehme Botschaften übermittelt?«
»Ziemlich unangenehme.« Und während sie das sagte, hob sie einen klitzekleinen rosafarbenen Tanga mit Ajourmuster hoch und ließ diesen Textilhauch quasi in der Luft schweben.
»Hat man Sie beleidigt?«
»Eine männliche Stimme hat mir gesagt, ich solle mich schämen, und ich würde bestraft …«
»Bestraft? Das hat er wirklich zu Ihnen gesagt: bestraft?«
»Jawohl.«
»Und Sie, wie haben Sie diese Worte interpretiert? Als Drohungen?«
Mit sorgsamen Bewegungen strich die Frau einen Strumpfhalter glatt.
»Ja, als Drohungen.«
»Hätte Ihrer Meinung nach irgendjemand Grund, Sie zu bedrohen?«
»Ich denke, nicht …«
»Wann ist das passiert?«
»Samstag, am letzten Samstag.«
»Und Sie haben es gleich der Polizei gemeldet?«
»Ich habe sofort angerufen. Man ist besser auf der Hut.«
Auf dem Weg zurück zum Polizeipräsidium fing Stucky an, zwischen den verschiedenen Informationen, die er zusammengetragen hatte, Verbindungen herzustellen und auf diese Weise die Sache gegen seinen Willen ernst zu nehmen. Von den Anrufen hin zu
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