Dolly - 03 - Ein Pferd im Internat
also, Margot”, schloß sie, “mir ist es viel schlimmer ergangen als dir. Du hattest wirklich ein Talent. Ich hatte es nie. Du warst stolz auf etwas Vorhandenes, ich auf etwas, das es gar nicht gab. Trotzdem bin im jetzt glücklicher als vorher. Auf jeden Fall ist es vernünftiger, das zu sein, was man wirklich ist: ein Schulmädchen – ich : keine zukünftige Filmdiva; du : keine Opernsängerin. Du wirst meiner Meinung sein, wenn du darüber nachdenkst. Jetzt kannst du ,du selbst’ sein, nachdem du deine Stimme für eine Weile verloren hast!”
“Ach, Marilyn”, stieß Margot heiser hervor und faßte nach der Hand der Klassenkameradin, “du weißt gar nicht, wie du mir geholfen hast. Mir war so schrecklich elend zumute. Ich dachte, daß niemandem in der Welt so etwas Schlimmes passiert wäre. Und dabei ist es dir genauso ergangen!”
Marilyn sagte nichts. Es hatte sie viel gekostet, diese Beichte abzulegen. Aber bei aIl ihren Fehlern hatte sie etwas Großzügiges und Edelmütiges in ihrem Wesen. Und sie hatte rasch begriffen, wie sie – und nur sie allein – Margot helfen könnte.
Die Schwester schaute wieder herein. Sie freute sich, wieviel ruhiger Margot plötzlich war.
“Du hast Margot mit deinem Besuch gutgetan, Marilyn!” sagte sie. “Sie sieht viel besser aus. Ihr seid Freundinnen?”
Margot sah Marilyn voll Spannung an.
“Ja”, sagte Marilyn fest. “Ja, wir sind Freundinnen.”
“Nun, du darfst noch zwei Minuten bleiben, und dann mußt du gehen” , erklärte die Schwester und ging hinaus.
“Ich will jetzt den anderen zeigen, daß ich nicht nur eine Stimme war”, krächzte Margot. “Marilyn, willst du mir helfen? Willst du wirklich meine Freundin sein? Ich bin nicht viel, das weiß ich, aber du wirst eine Freundin an mir haben!”
“Ach, Margot”, sagte Marilyn, “mit mir ist auch nicht viel los. Ich bin eine unbedeutende Person. Wir beide sind’s! Also wollen wir uns gegenseitig helfen. So, jetzt muß ich gehen. Auf Wiedersehen! Ich komme morgen wieder.”
Alles renkt sich ein
Mademoiselle hatte sich über den Streich mit dem Niespulver zuerst sehr geärgert. Doch allmählich gewann ihr Humor die Oberhand. Insgeheim mußte sie sogar lachen, wenn sie daran dachte, wie sie mit Fräulein Pott und der ganzen Klasse um die Wette geniest hatte.
Und nun taten ihr die Mädchen ein bißchen leid, weil sie ihren freien Nachmittag einbüßen sollten, und sie versuchte, ein gutes Wort für sie einzulegen. Aber damit kam sie nicht an.
“Auf keinen Fall, Mademoiselle”, erklärte Fräulein Pott. “Werden Sie nur nicht weich! Was soll denn aus der Schuldisziplin werden, wenn wir die Dinge so laufenlassen?”
“Da haben Sie eigentlich recht”, sagte Mademoiselle, der plötzlich eine Idee gekommen war. “Diese bösen, bösen Mädchen! Schicken Sie sie nur zu mir, Fräulein Pott, ich werde ihnen einen arbeitsreichen
Nachmittag bereiten.”
“Das finde ich richtig”, sagte Fräulein Pott zustimmend. Manchmal
war Mademoiselle schwer zu verstehen, dachte sie – bald so, bald so,
erst weich, dann hart!
Ich werde sie auf einen Spaziergang mitnehmen, überlegte
Mademoiselle. Sie selbst machte sich gar nichts aus Spaziergängen,
aber sie wußte, wie gern die Mädchen draußen waren.
Doch am Donnerstag goß es dermaßen, daß nicht nur das
Handballspiel im wahren Sinne des Wortes ins Wasser fiel, sondern
auch ein Spaziergang unmöglich war!
Bereits am Morgen hatte Dolly einen Anschlag am Schwarzen Brett
gelesen:
Das für heute nachmittag angesetzte Handballspiel
BURG MÖWENFELS
gegen
MÄDCHEN-MITTELSCHULE BILLSTEDT wird wegen schlechten Wetters abgesagt. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.
“Sieh dir das an”, sagte sie zu Susanne. “Überhaupt kein Spiel. Wie schrecklich enttäuscht wäre ich jetzt, wenn ich tatsächlich hätte mitspielen dürfen! Ob ich wohl Aussicht habe, beim nächsten Termin dabeizusein? Wahrscheinlich sind die kranken Spielerinnen bis dahin wieder gesund.”
Mit hängenden Köpfen ging die dritte Klasse am Nachmittag in ihren Raum, um zu arbeiten, während die anderen in der Turnhalle spielten oder sich einen Film ansahen.
Mademoiselle wartete schon auf Klasse 3. Sie lachte fröhlich. “Ihr armen Kinder! Nun müßt ihr tüchtig arbeiten, weil ihr mich zum Niesen gebracht habt. Ihr sollt sogar sehr schwer arbeiten: Französische Tänze lernen! Ich habe meinen Plattenspieler und Tanzplatten mitgebracht. Ich bringe euch einen Französischen Ländler bei, den alle
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