Dolly - 13 - Ueberraschung auf der Burg
vergangenen und zukünftigen Schrecken bewahren.
Ich werde schon wieder feierlich! schalt Dolly sich. Jetzt aber an die Arbeit, sonst stehe ich wirklich noch die halbe Nacht am Küchentisch!
Als sie die behagliche kleine Wohnung betrat, die Frau Direktor Greiling ihr und ihrem frischgebackenen Ehemann, dem jungen Lehrer Klaus-Henning Schwarze, vor wenigen Monaten hatte einrichten lassen, drang aus der Küche verzweifeltes Stöhnen.
„Nie wieder!” rief ihr Klaus klagend entgegen. „Alles kannst du mit mir machen, aber nie wieder Zuckerguß! Und sich dann einfach zu drücken und mich hier meinem Schicksal zu überlassen! So eine Gemeinheit! Alles ist voller Zuckerguß, der Tisch, die Stühle, mein Hemd und meine Schuhe, Armbanduhr, Hose und Gürtel – nur die Schneemänner nicht!”
„Mein armer Schatz, warte, jetzt mache ich dir erst mal einen Tee zur Erholung!”
Dolly schüttelte sich die nassen Flocken aus dem Haar und betrat die Küche.
„He! Na so ein Schwindler! Du bist ja fast fertig! Und hinreißend sehen die kleinen Kerle aus, einfach zum Verlieben! Wie lustig sie lachen – und die hübschen Zylinder, die sind dir toll gelungen!”
„Findest du?” Klaus legte verlegen lächelnd den Kopf schief und begutachtete sein Werk. „Nun ja, ich muß zugeben, gar nicht schlecht für den Anfang. Du siehst, ich bin ein gelehriger Schüler. Wenn sich das bei den Mädchen herumspricht, daß ich mich in die Küche schleiche und Kuchen backe, um nicht an meine Schularbeiten gehen zu müssen…”
„Damit dürfte ihre Arbeitsmoral gefährlich untergraben werden!” gab Dolly ihm lachend recht. Dann nahm sie eins der noch unbemalten Gebäckstücke, überzog es gleichmäßig mit Zuckerguß, tauchte den Pinsel in die flüssige Schokolade und malte Knöpfe, einen Kragen, Arme, die einen Reisigbesen hielten und schließlich ein fröhlich lachendes Gesicht mit schräggestellten, schmalen Schlitzaugen. Klaus schaute ihr über die Schulter.
„Was soll denn das werden!”
„Das…” sagte Dolly nachdenklich, „das wird in Zukunft mein Problem sein. Ein großes… oder ein kleines… wer weiß.”
Und dann erzählte sie, was sie eben von Frau Direktor Greiling erfahren hatte.
Eine Möwe aus Fernost
Die beiden Neuen kamen mit den Eisenbahnerinnen. Deshalb ließ Dolly sich von Klaus nach dem Mittagessen in die Stadt fahren, machte ein paar Besorgungen und ging dann zum Bahnhof, um die Ankömmlinge zu begrüßen.
Pünktlich auf die Minute schob sich der Zug, dampfend vom schmelzenden Schnee und tropfend wie ein dem Wasser entstiegenes Riesenungeheuer in den kleinen Bahnhof. Durch die von einer Fülle schmutziger Rinnsale bedeckten Fenster sah Dolly undeutlich heftig winkende Hände und lachende Gesichter. Gleich darauf spuckten Wagen um Wagen wie in einer Explosion kreischende, jubelnde Mädchen aller Altersklassen aus, von Koffern, Taschen und Tüten begleitet.
„Hausmutter! Hausmutter Dolly! Hier sind wir!” Die Mädchen aus dem Nordturm hatten im zweiten Wagen Platz gefunden. Sie waren in Begleitung zweier Lehrerinnen gereist: Fräulein Pott, zärtlich Pöttchen genannt, der Vorsteherin des Nordturms, und Fräulein Innig, die neu nach Burg Möwenfels kam und die Stelle der gefürchteten ,Sauergurke’ einnehmen sollte. Fräulein Sauer hatte nach einigen peinlichen Vorfällen Burg Möwenfels verlassen müssen, und es gab niemanden im ganzen Landschulheim, der ihr nachgetrauert hätte.
„Hausmutter, wissen Sie schon? Wir haben zwei Neue in unserem Schlafsaal!” sprudelte die rothaarige Olly heraus, die Dolly als erste erreichte und sie vor Wiedersehensfreude fast umriß. „Da kommen sie! Das ist Kim! Ist sie nicht süß?”
Olly lief zu der kleinen Asiatin hinüber und zog sie am Arm mit sich fort. Kim wußte gar nicht, wie ihr geschah.
„Darf ich vorstellen? Das ist Kim, das ist Dolly Schwarze, unsere Hausmutter. Die beste, liebste, tollste Ersatzmutter und Freundin, die man sich denken kann!”
„Guten Tag, Kim!” Dolly gab der Kleinen lächelnd die Hand und schaute ihr in die Augen. „Herzlich willkommen bei uns, ich hoffe du wirst dich bald genauso wohl fühlen wie die anderen und eine glückliche Zeit auf Burg Möwenfels verleben! Wenn du irgendwelche Probleme oder Fragen hast, dann komm zu mir, willst du? Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich brauchst.”
Die kleine Asiatin lächelte höflich. Nichts in ihrem Gesicht verriet, was in ihr vorging.
„Und dies hier ist die zweite Neue!”
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