Don Camillo und seine Herde
er:
«Wenn du Don Camillo wärst, würde ich jetzt keine Lira für deine Haut geben!»
Und siehe da, an einem Samstag am späten Nachmittag, als der Laden gedrängt voll war, ging die Tür auf, und Don Camillo erschien. Peppone, Brusco, Bigio, Smilzo, Lungo, Fulmine und weitere acht oder zehn, die nicht zur Bande gehörten, waren da.
Don Camillo hatte einen zweifingerlangen Bart; er nahm den
Hut ab und hängte ihn an einen Nagel, dann setzte er sich auf den einzigen noch freien Sessel.
«Guten Abend», sagte er ruhig. «Man sagte mir, es sei dir viel daran gelegen, mich zu rasieren. Da bin ich nun.»
Alle schauten ihn bestürzt an. Spocchia gab keine Antwort, sondern biß die Zähne zusammen und fuhr fort, Pellerossa zu rasieren. Don Camillo zündete eine Zigarre an und schaute sich um. Außer einem Bild Lenins gab es ein Bild Stalins, eins von Garibaldi, eins von Mazzini und eins von Karl Marx.
«Bei so vielen Bärten und Schnurrbärten hast du wohl genug zu tun!» rief Don Camillo. «Schöne Kundschaft, geradezu international. Leute, die gut zahlen.»
Er tat, als ob er erst jetzt Peppone bemerkt hätte.
«Oh, entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht gleich gesehen. Guten Abend, Herr Bürgermeister.»
«... Abend...»
Peppone vertiefte sich in eine Zeitung. Don Camillo aber, einmal in Fahrt, war schlimmer als Fulmine, was schon etwas heißen will, denn der Name bedeutet Blitz.
«Äh», seufzte er, «wie rasch die Jahre vergehen! Erinnerst du dich, Spocchia, wie du in die Kirche ministrieren gingst?»
«Jugendsünden», zischte Spocchia. «Wenn ich mich nicht irre, sehen Sie mich jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr in der Kirche. Es werden wohl zehn oder zwölf Jahre sein.»
«Und ich dachte, ich hätte dich erst kürzlich an einem Abend gesehen.»
«Sie täuschen sich, Don Camillo!»
«Kann sein, es war dunkel, und ich kann mich geirrt haben. Jedenfalls mußt du aber den Wunsch haben, deinen alten Pfarrer zu sehen, weil mir die Leute unentwegt erzählen, daß du, ich weiß nicht was, zahlen würdest, wenn du mich einmal rasieren könntest. Das wirst du wohl nicht leugnen.»
Spocchia wischte das Rasiermesser an der flachen Hand ab.
«Das ist wahr», murmelte er düster.
«Man hat mir außerdem gesagt, du hättest dich einige Male geäußert, du würdest viel dafür geben, mir einmal einen Anzug zu machen.»
«Einen Anzug aus Tannenholz mit Zinkfutter», knurrte Spocchia. «Den würde ich Ihnen gerne machen.»
«Ich verstehe, mein Sohn», antwortete lächelnd Don Camillo. «Wenn man aber Anzüge aus Tannenholz machen will, muß man ganz genau Maß nehmen.»
Pellerossa war fertig. Spocchia legte das Rasiermesser fort und wandte sich an Don Camillo.
«Hochwürden», sagte er finster. «Was haben Sie hier zu suchen?»
Don Camillo stand auf und nahm auf dem frei gewordenen Sitz Platz.
«Ich bin gekommen, um mich von dir rasieren zu lassen.»
Spocchia erbleichte, soweit er noch blasser werden konnte. Dann band er Don Camillo ein Handtuch um den Hals und begann ihm das Gesicht einzuseifen. Er seifte lange ein, zog lange das Messer am Riemen ab und begann dann, Don Camillo zu rasieren.
Es wurde ganz still, man hörte das Rasiermesser schaben, und alle hielten den Atem an. Das Rasiermesser ging einmal und zweimal über die Wange, unter der Nase hin, über das Kinn. Es war ein Bart aus Eisendraht, und in der Stille surrte das Rasiermesser wie eine Mähmaschine.
Schon ging die Klinge hin und her unter Don Camillos Kinn, sie spazierte über seine Kehle. Ein Haarbüschel auf dem Adamsapfel gab ihr eine Weile zu schaffen.
Gegenrasur. Alaun. Scharfeinspritzen, Puder.
Smilzo, der die ganze Zeit über unbeweglich rittlings auf dem Stuhl gesessen und die Zähne in die Lehne gedrückt hatte, erhob den Kopf, entspannte die Nerven und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Peppone spuckte energisch die Titelzeile und den Leitartikel der Unità aus, die er, ohne es zu merken, während der Zeit gekaut hatte.
«Bravo, Spocchia», rief Don Camillo und stand auf. «Du bist ein Künstler. Noch nie habe ich eine so leichte Hand erlebt. Die Probe für den Anzug aus Tannenholz kannst du ohne mich machen.»
Er drückte ihm Geld in die Hand, nahm den Hut, den ihm Smilzo reichte, grüßte die Gesellschaft und zeigte auf das Bild des Towarisch mit dem Schnurrbart, bevor er den Laden verließ.
«Es würde ihm nichts schaden», riet er, «wenn du ihm den Schnurrbart ein wenig stutzen würdest.»
Nach Hause
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