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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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Hundert Menschen waren in einem riesigen, finsteren Raum eingeschlossen, und jeder von ihnen hatte eine erloschene Lampe. Einer zündete seine Lampe an, und siehe da, die Menschen konnten einander ins Gesicht schauen und sich erkennen. Noch einer zündete seine Lampe an, und man entdeckte einen nahen Gegenstand; und je mehr Lampen entflammt aufleuchteten, um so mehr neue Dinge kamen ans Licht; und als sie zum Schluß alle ihre Lampen angezündet hatten, erkannten sie alle Dinge, die in jenem riesigen Raum waren, und alles war schön, gut und herrlich. Verstehe mich gut, Don Camillo, es waren hundert Lampen, aber nicht hundert Ideen. Es gab nur eine einzige Idee - das Licht der hundert Lampen; denn nur dadurch, daß hundert Lampen angezündet wurden, konnte man alle Dinge in jenem großen Raum sehen und alle Einzelheiten ausnehmen. Und jede Flamme war nur der hundertste Teil eines einzigen Lichtes, der hundertste Teil einer einzigen Idee, der Idee von der ewigen Existenz und der Größe des Schöpfers. Als ob ein Mensch eine kleine Statue in hundert Stücke zerschlagen und jedem einzelnen der hundert Menschen ein Stück anvertraut hätte. Es waren nicht hundert Abbilder einer Figur, sondern hundert Bruchstücke einer einzigen Figur. Und die hundert Menschen suchten einander, versuchten, die hundert Bruchstücke zusammenzufügen, und es entstanden tausend und aber tausend ungestalter Figuren, ehe es gelang, jedes Stück genau an das dazugehörige andere zu fügen. Aber schließlich war die Statue wieder beisammen. Verstehe mich gut, Don Camillo, jeder Mensch zündete seine Lampe an, und das Licht der hundert Lampen war die Wahrheit, die Offenbarung. Damit hätten sie sich zufriedengeben sollen. Aber jeder glaubte, daß die schönen Dinge, die er sah, nicht ihrem Schöpfer zuzuschreiben wären, sondern seiner eigenen Lampe, die imstande war, aus der Finsternis des Nichts so schöne Dinge erstehen zu lassen. Und der eine fuhr fort, die Lampe anzubeten, andere gingen dahin und dorthin, und das große Licht zerfiel in hundert winzige Flämmchen, von denen jedes nur ein Stück Wahrheit erhellen konnte. Verstehe mich gut, Don Camillo, es ist notwendig, daß sich hundert Lampen vereinigen, um das Licht der Wahrheit wiederzufinden. Die Menschen irren heute ohne Vertrauen umher, jeder im armseligen Licht seiner eigenen Lampe, und alles um sie kommt ihnen dunkel, traurig und trübsinnig vor; und da sie das Ganze nicht erkennen können, klammern sie sich krampfhaft an die geringste Einzelheit, die ihr mattes Licht aus dem Schatten geholt hat. Es gibt keine Ideen, es gibt nur eine einzige Idee, eine einzige Wahrheit, die aus vielen Tausenden von Teilen besteht. Die Menschen können sie aber nicht mehr sehen. Es gibt keine Ideen mehr, weil es nur eine einzige und ewige Idee gibt; es ist aber nötig, daß sich jeder zurückwendet und zum anderen findet, mitten in diesem riesigen Raume.»
    Don Camillo breitete die Arme aus.
    «Jesus, man wendet sich nicht zurück...» seufzte er. «Diese Unglücklichen verwenden das Öl ihrer Lampen, um ihre Maschinenpistolen und schmutzigen Maschinen zu ölen.»
    Christus lächelte.
    «Im himmlischen Reich fließt das Öl in Strömen, Don Camillo.»

Der Bann der Angst bricht

    Spocchia, der Unnachgiebige, jener, der bereits seine Burschen für die zweite Welle der Weltrevolution bereithielt, der in Glaubensfragen hie und da den Mut hatte, selbst Peppone zu widersprechen, war im Nebenberuf der Barbier von Molinetto. Man erzählte sich häßliche Dinge über ihn und sagte, daß er einiges auf dem Gewissen habe. Nur Proletarier ließen sich von ihm, der übrigens auch ein wenig Schneider war, bedienen, und das einzige Mal, als ein Herr aus der Stadt, Gast bei weiß Gott wem, nichtsahnend seinen Laden betrat, zwinkerte Spocchia den wartenden Genossen zu, ließ den Unglücklichen Platz nehmen und begann ihn zu rasieren. Als er halb fertig war, legte er das Rasiermesser fort.
    «Das übrige lassen Sie sich vom Priester rasieren», sagte er, während die ganze Bande sich halb totlachte.
    Spocchia haßte Don Camillo auf Leben und Tod, weil er überzeugt war, dieser Priester sei schuld daran, daß Peppone viele Dinge bleiben ließ oder nur halb machte.
    Schon seit einiger Zeit beteuerte er ständig unter Seufzen, wie gerne er Don Camillo rasieren würde. Und tausendmal, wenn er irgendjemanden von den Seinen des Bartes entledigte und mit dem Rasiermesser in der Gegend des Adamsapfels angelangt war, seufzte

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