Don Camillo und seine Herde
Hunger haben, um ihr Brot bringen wollen. Gott sei mit euch... Klopft sie auf alle Fälle zart herunter.»
«Geht in Ordnung», sagte Peppone, tippte mit dem Finger an den Hutrand und führte den Marsch zum Platz an.
Vor der kleinen Madonna wandte sich Peppone an Bagò.
«Los!» befahl Peppone. «Du hast es gehört. Man beleidigt dabei niemanden.»
Bagò drehte den Mützenschirm nach hinten, spuckte in die Hände und nahm die Spitzhacke. Er hob sie, die Spitzhacke schwebte einen Augenblick in der Luft und senkte sich wieder.
«Nein», murmelte er.
Peppone begann zu brüllen, niemand wollte aber den verhängnisvollen Schlag auf sich nehmen. Nun entriß Peppone einem jungen Mann die Spitzhacke und trat an die Mauer heran. Er hob sie - und sah durch das Gitter die Augen der kleinen Madonna, die ihn beobachtete, und warf die Spitzhacke wieder weg.
«Verdammt noch einmal!» brüllte er. «Warum muß ausgerechnet der Bürgermeister so etwas machen? Was hat ein Bürgermeister mit Madonnen zu tun? Wozu haben wir denn einen Priester im Dorf? Er soll kommen und schauen, wie er das macht! Jedem das Seine!»
Peppone ging in den Pfarrhof zurück und war wütend.
«Na und?» fragte Don Camillo. «Fertig?»
«Was heißt fertig! Es geht nicht», schrie Peppone.
«Es geht nicht? Wieso?»
«Weil Madonnen und Heilige Sie angehen. Ich habe noch nie von Ihnen verlangt, mit einer Spitzhacke die Büste Lenins oder Stalins zu zertrümmern!»
«Wenn du mich dazu holst, komm ich gern», rief Don Camillo.
Peppone ballte die Fäuste:
«Machen Sie, was Sie wollen. Denken Sie aber daran, daß die Arbeit nicht wieder aufgenommen werden kann, solange die kleine Madonna dort oben ist. Sie haben also die Verantwortung für die verlorenen Stunden, für die Arbeitslosigkeit usw. auf dem Gewissen. Ich bin Bürgermeister und ich bin kein Madonnenzerstörer! Das würde Ihnen passen, später sagen zu können, daß wir die üblichen Gotteslästerer sind, die Heilige mit Spitzhacken zerstören!»
«Schon gut», sagte Don Camillo. «Wenn ich mit dem Herrn Bürgermeister spreche, können die übrigen gehen.»
Als man sie allein im Pfarrhof gelassen hatte, schwiegen beide eine Weile. Don Camillo unterbrach das Schweigen.
«Peppone, es mag geschehen, was will, ich schlage sie nicht herunter.»
«Ich auch nicht», schrie Peppone. «Wenn Sie als Fachmann für Heilige keinen Mut haben...»
«Es geht hier nicht um Mut oder Angst», unterbrach ihn Don Camillo. «Das ist genau so wie die Sache mit meinem Engel auf dem Turm, der seit fünf- oder sechshundert Jahren das Dorf bewacht. Die Augen dieser kleinen Madonna haben alle unsere Toten gesehen. An diesem Bild haften die Hoffnung und die Verzweiflung vieler vergangener Generationen. Peppone, erinnerst du dich, als wir neunzehnhundertachtzehn von der Front zurückkamen? Die Blumen waren von mir, das Eßgeschirr hattest aber du gespendet.»
Peppone würgte es im Hals.
Don Camillo streichelte ihm das Kinn.
Dann nahmen sie den Mantel und setzten den Hut auf.
Kurz darauf standen sie vor der kleinen Madonna, und das halbe Dorf schaute ihnen zu.
In der Menge war auch einer, der nicht zum Dorf gehörte, ein junger Mann, der auf einem Motorrad gekommen war, und aus der Art, wie ihn Peppone grüßte, war zu schließen, daß er einer von der großen städtischen Bande war.
Der junge Mann trat hervor und schaute die kleine Madonna an.
«Also», sagte er laut, «wenn die Dinge so stehen, wie ihr sagt, und wenn auch Hochwürden damit einverstanden ist, daß man im Interesse der Arbeiter und des Ortes auf so wichtige Vorteile nicht verzichten darf, dann kann ich ruhig vollbringen, was hier aus Gründen der bürgerlichen Sentimentalität niemand zu tun wagt.»
Er nahm die Spitzhacke und wollte auf den Mauerrest losgehen. Don Camillo faßte ihn aber an der Schulter und zog ihn zurück.
«Es ist nicht notwendig!» sagte er mit harter Stimme.
Es entstand eine tiefe Stille.
Alle starrten den Mauerrest an, als ob sie etwas erwarteten. Es erhob sich ein Knirschen. Ein Riß tat sich langsam auf.
Die Mauer fiel nicht um; sie zerbröckelte, wurde zu einem Haufen Schutt und Steine, und ganz offen, von dem verrosteten Gitter und von den jahrhundertealten Schatten der Nische befreit, stand die kleine Madonna, unbeschädigt, ohne geringste Beschädigung. Sie war zwei- oder dreihundert Jahre alt, schien aber erst vor zwei Tagen gemalt worden zu sein.
«Wir werden sie in der neuen Hausmauer an derselben Stelle
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