Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens
verrückt! Es gibt keine diableros.«
»Willst du sagen, daß es heute keine gibt oder daß es nie welche gegeben hat?«
»Ja, irgendwann gab es welche. Das ist allgemein bekannt. Jeder weiß es. Aber die Leute hatten Angst vor ihnen und ließen sie alle töten.«
»Wer tötete sie, Genaro?«
»Alle Leute des Stammes. Der letzte diablero, von dem ich wußte, war S-. Er tötete Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Leuten durch seine Zauberkraft: Wir konnten es nicht dulden, und die Leute kamen zusammen und überraschten ihn eines Nachts und verbrannten ihn lebend«
»Wie lange liegt das zurück, Genaro?«
»Es war Neunzehnhundertzweiundvierzig«
»Hast du es selbst gesehen?«
»Nein, aber die Leute sprechen noch davon. Sie sagen, daß keine Asche zurückblieb, obwohl der Scheiterhaufen aus frischem Holz war. Am Ende war eine riesige Fettlache übrig.«
Obwohl Don Juan seinen Wohltäter als diablero bezeichnete, erwähnte er weder den Ort, an dem er sein Wissen erworben hatte, noch nannte er den Namen seines Lehrers. Uberhaupt gab Don Juan sehr wenig über sein persönliches Leben preis. Er sagte nur, daß er 1891 im Südwesten geboren war, daß er fast sein ganzes Leben in Mexiko verbracht hatte, daß seine Familie 1900 von der mexikanischen Regierung zusammen mit Tausenden anderer Sdnora-Indianer nach Zentralmexiko ausgewiesen wurde und daß er bis 1940 in Zentral- und in Südmexiko gelebt hatte. Da Don Juan sehr viel gereist war, war sein Wissen vielleicht das Ergebnis vieler Einflüsse. Und obwohl er sich als einen Indianer aus Sonora betrachtete, war ich nicht sicher, ob der Kontext seines Wissens völlig in der Kultur der Sonora-Indianer zu suchen sei. Aber es ist hier nicht meine Absicht, seine genaue kulturelle Herkunft zu bestimmen.
Ich begann meine Lehrzeit bei Don Juan im Juni 1961. Vor dieser Zeit hatte ich ihn zu verschiedenen Gelegenheiten gesehen, aber immer als anthropologischer Beobachter. Während dieser frühen Gespräche machte ich heimlich Notizen. Später rekonstruierte ich aus dem Gedächtnis das gesamte Gespräch. Als ich jedoch als Lernender begann, wurde diese Art des Aufzeichnens sehr schwierig, denn unsere Gespräche berührten viele verschiedene Themen. Dann erlaubte mir Don Juan nach heftigem Widerstreben jedoch, alles, was gesagt wurde, offen aufzuzeichnen. Ich hätte auch gerne Photos und Tonbandaufnahmen gemacht, aber das wollte er mir nicht erlauben.
Arizona und dann Sonora waren die ersten Orte meiner Lehrzeit, denn Don Juan zog während meiner Unterweisung nach Mexiko.
Ich richtete es so ein, daß ich ihn ab und zu für einige Tage sah. Meine Besuche waren häufiger und länger während der Sommermonate der Jahre 1961, 1962, 1963 und 1964. Zurückblickend glaube ich, daß diese
Methode der Lehrzeitgestaltung den Erfolg der Unterweisung beeinträchtigte, da sie den Zeitpunkt meines vollen Einsatzes verzögerte, den ich dringend brauchte, um Zauberer zu werden. Von meinem persönlichen Standpunkt aus gesehen, nützte mir diese Methode jedoch, denn sie erlaubte mir etwas Abstand, und dies wiederum hielt mir den Sinn für kritische Überprüfung offen, was unmöglich gewesen wäre, wenn ich beständig, ohne Unterbrechung teilgenommen hälfe. Im September 1965 brach ich die Lehrzeit freiwillig ab.
Einige Monate nach meinem Weggehen erwog ich zum ersten Mal die Idee, meine Arbeitsnotizen auf systematische Weise zu ordnen. Da die Ergebnisse, die ich gesammelt hatte, sehr umfangreich waren und vielseitige Informationen einschlössen, begann ich mit dem Versuch, ein Hassifikationssystem zu erstellen. Ich teilte die Ergebnisse in Sachgruppen verwandter Begriffe und Verfahren und ordnete die Sachgebiete in der Rangordnung ihrer subjektiven Bedeutung - dh. nach dem Eindruck, den jedes von ihnen auf mich gemacht hatte;. Auf diese Weise kam ich zu der folgenden Klassifikation: Gebrauch von halluzinogenen Pflanzen; Verfahren und Formeln in der Zauberei; Gewinn und Manipulation von Macht-Objekten; Gebrauch von Heilpflanzen; Lieder und Legenden. Als ich über die Phänomene nachdachte, denen ich begegnet war, wurde mir bewußt, daß mein Versuch einer Klassifikation nichts als ein Verzeichnis von Kategorien ergeben hatte; jeder Versuch, mein Schema zu verbessern, konnte dadurch ein nur noch komplizierteres Verzeichnis ergeben. Das war nicht, was ich wollte. Während der Monate nach meiner Lösung aus der
Lehrzeit mußte ich verstehen, was ich erfahren hatte, und erfahren hatte
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