Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens
Fehler sind, wird er einen Punkt erreichen, wo sich ihm alles fügt. Dann wird er wissen, wann und wie er seine Macht gebraucht. Und so wird er seinen dritten Feind besiegt haben. Der Mann wird am Ende seiner Reise des Lernens sein, und fast unversehens wird er dem letzten seiner Feinde begegnen: dem Alter ! Dieser Feind ist der grausamste von allen, er ist der, den er nicht völlig schlagen, sondern nur bekämpfen kann. Das ist die Zeit, da ein Mann keine Furcht mehr kennt, keine ungeduldige Klarheit der Gedanken - das ist eine Zeit, da er seine ganze Macht beherrscht, aber es ist auch die Zeit, da er ein unüberwindliches Verlangen nach Ruhe hat. Wenn er seinem Verlangen, auszuruhen und zu vergessen, völlig nachgibt, wenn er sich selbst in Müdigkeit wiegt, wird er seine letzte Runde verloren haben, und sein Feind wird ihn zu einem schwachen, alten Geschöpf niederstrecken. Sein Verlangen, sich zurückzuziehen, wird all seine Klarheit, seine Macht und sein Wissen unterdrücken.
Aber wenn der Mann seine Müdigkeit abschüttelt und sein Schicksal zu Ende lebt, kann er ein Wissender genannt werden, wenn auch nur für den kurzen Augenblick, da es ihm gelingt, seinen letzten unbesiegbaren Feind abzuschütteln. Dieser Augenblick der Klarheit, der Macht und des Wissens ist genug«
Don Juan sprach selten offen über Mescalito. Jedesmal, wenn ich ihn danach fragte, wich er mir aus, aber immer sagte er genug, um einen Eindruck von Mescalito zu geben, einen Eindruck, der immer ein menschliches Wesen spiegelte. Mescalito war ein männliches Wesen, nicht nur wegen der zwingenden grammatischen Regel, die dem Wort den männlichen Artikel gibt, sondern auch wegen seiner beständigen Eigenschaften, Beschützer und Lehrer zu sein. Don Juan bestätigte diese Charakteristika in verschiedenen Formen, jedesmal wenn wir darüber sprachen.
Sonntag, 24. Dezember 1961
»Die yerba del diablo hat niemals jemanden beschützt. Sie ist nur da, um Macht zu geben. Mescalito dagegen ist sanft wie ein Baby.«
»Aber du hast gesagt, Mescalito sei manchmal erschreckend.«
»Natürlich ist er erschreckend, aber wenn du ihn einmal kennst, ist er sanft und gütig«
»Wie zeigt er seine Güte?«
»Er ist ein Beschützer und Lehrer.«
»Wie beschützt er?«
»Du kannst ihn immer bei dir behalten, und er wird aufpassen, daß dir nichts Böses passiert.«
»Wie kannst du ihn immer bei dir behalten?«
»In einem kleinen Beutel, der mit einer Schnur unter deinem Arm oder dem Hals befestigt ist.«
»Hast du ihn bei dir?«
»Nein, aber ich habe einen Verbündeten. Doch andere Leute haben ihn bei sich.«
»Was lehrt er?«
»Er zeigt die Dinge und sagt dir, was sie sind (enzena las cosas y te dicelo queson)!«
»Wie?«
»Du mußt es selbst sehen.«
Dienstag, 30. Januar 1962
»Was siehst du, wenn Mescalito dich mitnimmt, Don Juan?«
»Diese Dinge sind nichts für so ein Gespräch. Ich kann dir das nicht sagen.«
»Würde dir etwas Schlimmes passieren, wenn du es sagen würdest?«
»Mescalito ist ein Beschützer, ein sanfter, gütiger Beschützer; aber das bedeutet nicht, daß du dich über ihn lustig machen kannst. Da er ein gütiger Beschützer ist, kann er auch für die, die er nicht mag, der Schrecken selbst sein.«
»Ich will mich nicht über ihn lustig machen. Ich möchte nur wissen, was er andere Leute tun oder sehen läßt. Ich habe dir alles beschrieben, was Mescalito mich sehen ließ, Don Juan.«
»Mit dir ist es anders, vielleicht, weil du seine Wege nicht kennst. Seine Wege müssen dir gezeigt werden, so wie man einem Kind das Gehen zeigt.«
»Wie lange muß ich noch lernen?«
»Bis er selbst anfängt, dir verständlich zu sein.«
»Und dann?«
»Dann wirst du von allein verstehen. Du wirst mir nichts mehr erzählen müssen.«
»Kannst du mir wenigstens sagen, wohin Mescalito dich führt?«
»Darüber kann ich nicht sprechen.«
»Ich möchte nur wissen, ob es eine andere Welt gibt, in die er die Leute fuhrt«
»Ja, es gibt eine.«
»Ist es der Himmel?« (Das spanische Wort für Himmel ist cielo, aber das bedeutet auch Firmament). »Er führt dich durch das Firmament (cielo).«
»Ich meine, ist es der Himmel (cielo), wo Gott ist?«
»Jetzt wirst du albern. Ich weiß nicht, wo Gott ist.«
»Ist Mescalito Gott - der einzige Gott? Oder ist er einer der Götter?«
»Er ist nur ein Beschützer und ein Lehrer. Er ist eine Macht«
»Ist er eine Macht in uns selbst?«
»Nein. Mescalito hat nichts mit uns selbst zu tun. Er ist außerhalb
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