Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens
über dem Boden vor mir. Sie sahen wie runde, grüne Rosen aus. Ich rannte aufsie zu und zeigte sie Don Juan.
Er beachtete mich nicht, drehte mir absichtlich den Rücken zu und ging weiter. Ich wußte, daß ich etwas Falsches getan hatte, und für den Rest des Nachmittags gingen wir schweigend, langsam der flachen Talsohle folgend, auf der kleine, scharfkantige Steine lagen Wir bewegten uns zwischen Kakteen, scheuchten Scharen von Eidechsen auf und manchmal einen einsamen Vogel. Und ich ging an vielen Peyotepflanzen vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Um sechs Uhr waren wir am Fuß des Gebirges angekommen, wo das Tal endete. Wir stiegen zu einem Grat. Don Juan ließ seinen Rucksack fallen und setzte sich. Ich war wieder hungrig, aber wir hatten nichts übrig; ich schlug vor, den Mescalito zu pflücken und zur Stadt zurückzukehren. Er sah mich ärgerlich an und schnalzte mit den Lippen. Er sagte, wir würden die Nacht hier verbringen.
Wir saßen still. Links von uns war eine Felswand und rechts war das Tal, das wir gerade durchquert hatten. Es reichte ziemlich weit in die Ferne und schien breiter und nicht so flach, wie ich gedacht hatte;. Von hier aus war es voller Hügel und Vorsprünge. »Morgen werden wir zurückgehen«, sagte Don Juan, ohne mich anzusehen, und zeigte auf das Tal. »Wir werden einen Rückweg finden und ihn auf dem Weg durch die Felder pflücken. Das heißt, wir werden ihn nur pflücken, wenn er auf unserem Weg ist. Er wird uns finden und nicht umgekehrt. Er wird uns finden - wenn er es will.«
Don Juan lehnte sich mit dem Rücken gegen die Felswand, drehte seinen Kopf auf die Seite und sprach weiter, so als ob außer mir noch jemand da sei. »Noch etwas. Nur ich kann ihn pflücken. Du wirst vielleicht den Beutel tragen oder vor mir hergehen - das weiß ich noch nicht, aber morgen wirst du nicht so wie heute auf ihn zeigen!«
»Es tut mir leid, Don Juan.«
»Es ist schon gut Du wußtest es ja nicht«: »Hat dein Wohltäter dir all das über Mescalito beigebracht?«
»Nein! Niemand hat es mir beigebracht Es war der Beschützer selbst, der mein Lehrer war.«
»Dann ist Mescalito wie eine Person, mit der du sprechen kannst?«
»Nein, das ist er nicht«
»Wie lehrt er dann?« Eine Weile sagte er nichts.
»Erinnerst du dich daran, als du mit ihm gespielt hast? Du hast doch verstanden, was er meinte, nicht wahr?«
»Ja!«
»So lehrt er - . Damals wußtest du es nicht, aber wenn du auf ihn achtgegeben hättest, hätte er mit dir gesprochen.«
»Wann?«
»Als du ihn das erste Mal gesehen hast«
Er schien sehr ärgerlich über meine Fragen. Ich sagte ihm, daß ich all das fragen müßte, weil ich alles, was möglich war, herausfinden wollte.
»Aber frag mich nicht!« Er lächelte böse. »Frag ihn. Wenn du ihn das nächste Mal siehst, frag ihn alles, was du wissen willst.«
»Dann ist Mescalito wie eine Person, mit der man sprechen kann...«
Er ließ mich nicht ausreden. Er drehte sich um, hob die Feldflasche auf, kletterte von dem Felsvosprung und verschwand hinter dem Felsen. Ich wollte nicht allein sein, und obwohl er mich nicht gebeten hatte mitzugehen, folgte ich ihm. Wir gingen ungefähr zweihundert Meter zu einem kleinen Bach. Er wusch sich Hände und Gesicht und füllte die Flasche. Er spülte mit dem Wasser seinen Mund, aber er trank nichts. Ich schöpfte mit den Händen etwas Wasser und trank, aber er hielt mich zurück und sagte, es sei unnötig zu trinken.
Er gab mir die Feldflasche und begann zu dem Felsvorsprung zurückzugehen. Als wir dort ankamen, setzten wir uns wieder mit dem Rücken zur Felswand und sahen auf das Tal. Ich fragte ihn, ob wir ein Feuer machen könnten. Er reagierte darauf als sei es unvorstellbar, so etwas zu fragen. Er sagte, daß wir für diese Nacht Mescalitos Gäste seien und daß er uns warm halten würde. Es war bereits dunkel. Don Juan zog zwei dünne Baumwolldecken aus seinem Rucksack, warf mir eine in den Schoß, setzte sich mit gekreuzten Beinen und hängte sich die Decke über die Schulter.. Unter uns war das dunkle Tal, und die Ränder verschwanden im Abendnebel.
Don Juan saß reglos dem Peyotefeld zugewandt. Ein gleichmäßiger Wind blies mir ins Gesicht.
»Die Dämmerung ist die Trennung zwischen den Welten«, sagte er leise, ohne mich anzusehen.
Ich fragte nicht, was er damit meinte. Meine Augen wurden müde. Plötzlich fühlte ich mich erregt; ich hatte ein merkwürdiges, überwältigendes Verlangen zu weinen! Ich legte mich auf den Bauch; der
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