Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens
zwingt den Mann, sich niemals selbst anzuzweifeln. Sie gibt ihm die Sicherheit, alles zu tun, was ihm gefällt, denn er sieht klar in alle Dinge. Und er ist mutig, denn er ist sicher, und er schreckt vor nichts zurück, weil er sich eben sicher ist. Aber all das ist ein Fehler: es ist wie etwas Unvollständiges. Wenn der Mann dieser vorgetäuschten Macht nachgibt, ist er von seinem zweiten Feind besiegt worden, und er wird mit dem Lernen spielen. Er wird eilen, wenn er geduldig sein sollte, oder er wird geduldig sein, wenn er eilen sollte. Und er wird mit dem Lernen spielen, bis er endet, unfähig, noch irgend etwas zu lernen.» »Was wird aus dem Mann, der so besiegt wird, Don Juan? Stirbt er deswegen?«
»Nein, er stirbt nicht. Sein zweiter Feind hat ihn nur kallgestellt bei seinem Versuch, ein Wissender zu werden; statt dessen könnte aus ihm ein gleichgültiger Kämpfer oder Clown werden. Aber die Klarheit, für die er so teuer bezahlt hat, wird sich nie wieder in Dunkel und Angst verwandeln. Er wird klar sehen, so lange er lebt, aber er wird nichts mehr lernen oder nach irgend etwas suchen.«
»Was muß er tun, um nicht besiegt zu werden?«
»Er muß tun, was er mit der Furcht getan hat: er muß seiner Klarheit trotzen und nur mit ihr sehen und geduldig warten und vorsichtig erwägen, bevor er neue Schritte tut; er muß vcr allem denken, daß seine Klarheit fast ein Fehler ist. Und ein Augenblick wird kommen, da er verstehen wird, daß seine Klarheit nur ein Punkt vcr seinen Augen war. Und so wird er seinen zweiten Feind besiegt haben, und er wird in eine Lage kommen, in der ihm nichts mehr schaden kann. Das wird sein Fehler sein. Es wird nicht nur ein Punkt vor seinen Augen sein. Es wird wahre Macht sein.
Zu diesem Zeitpunkt wird er wissen, daß die Macht, die er so lange gesucht hat, endlich die seine ist. Er kann mit ihr machen, was immer ihm einfällt. Er beherrscht seinen Verbündeten. Sein Wunsch ist das Gesetz. Er sieht alles, was um ihn ist. Aber er hat auch seinen dritten Feind getroffen: die Macht! Macht ist der stärkste aller Feinde. Und natürlich ist es das einfachste, nachzugeben; schließlich ist der Mann wirklich unbesiegbar. Er befiehlt; er beginnt berechnete Risiken einzugehen und macht schließlich Gesetze, denn er ist der Herrscher. Ein Mann auf dieser Stufe bemerkt kaum, wie der dritte Feind ihn einkreist Und plötzlich wird er, ohne es zu erkennen, gewiß seinen Kampf verloren haben. Sein Feind wird ihn zu einem grausamen, unberechenbaren Menschen gemacht haben.«
»Wird er seine Macht verlieren?«
»Nein, er wird nie seine Klarheit oder seine Macht verlieren.«
»Was wird ihn dann von einem Wissenden unterscheiden?«
»Ein Mann, der von der Macht besiegt ist, stirbt, ohne wirklich gewußt zu haben, wie mit ihr umzugehen ist Macht ist nur eine Last über seinem Schicksal. Solch ein Mann hat keine Gewalt über sich selbst und kann nicht entscheiden, wann oder wie er seine Macht anwenden soll.«
»Ist die Niederlage durch einen dieser Feinde eine endgültige Niederlage?«
»Natürlich ist sie endgültig. Wenn einer dieser Feinde einen Mann einmal zu Fall bringt, gibt es nichts, was er tun kann.«
»Ist es zum Beispiel möglich, daß der Mann, der von der Macht besiegt wurde, seinen Fehler einsieht und aufseinem Weg umkehrt?«
»Nein. Wenn ein Mann einmal nachgibt, ist er erledigt«
»Aber was geschieht, wenn er nur vorübergehend von der Macht geblendet wird und sie dann zurückweist?«
»Das bedeutet, daß sein Kampf noch weitergeht Das bedeutet, daß er noch immer versucht, ein Wissender zu werden. Ein Mann ist nur dann besiegt, wenn er es nicht länger versucht und sich selbst aufgibt«
»Aber ist es dann nicht möglich, Don Juan, daß ein Mann sich vielleicht jahrelang der Furcht ergibt, aber sie schließlich besiegt?«
»Gewiß nicht. Wenn er sich der Furcht ergibt, wird er sie niemals besiegen, weil er das Lernen scheuen und es nie wieder versuchen wird. Aber wenn er inmitten seiner Furcht jahrelang zu lernen versucht, wird er sie eventuell besiegen, weil er sich ihr niemals wirklich ergeben hat.«
»Wie kann er seinen dritten Feind besiegen, Don Juan?«
»Er muß ihn vorsätzlich herausfordern. Er muß einsehen, daß die Macht, die er scheinbar gewonnen hat, niemals wirklich sein ist. Er muß sich zu jeder Zeit selbst beherrschen und alles, was er gelernt hat, vorsichtig und ehrlich gebrauchen. Wenn er sieht, daß Klarheit und Macht ohne Selbstbeherrschung schlimmer als
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