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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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der die Sendboten mich verließen. Ich sollte an den Unterschied im Licht um mich denken zwischen der Zeit, als »ich zu fliegen begann« und der Zeit, als die silbernen Vögel »mit mir fcgen« Als ich zuerst die Empfindung des schmerzhaften Fliegens hatte, war es dunkel. Aber als ich die Vögel sah, war alles rötlich - hellrot oder vielleicht orange. Er sagte: »Das bedeutet, es war später Tag; die Scnne war noch nicht untergegangen. Wenn es völlig dunkel ist, ist die Krähe vcr Weiß blind und nicht vcr Dunkelheit, wie dies bei uns der Fall ist. Dieser zeitliche Anhaltspunkt verweist deine letzten Sendboten an das Ende des Tages. Sie werden dich rufen, und wenn sie über deinen Kcpf fliegen, werden sie silbrig hell werden; du wirst sie gegen den Himmel leuchten sehen, und es wird bedeuten, daß deine Zeit um ist. Es wird bedeuten, daß du sterben und selbst eine Krähe werden wirst.«
»Was geschieht, wenn ich sie am Morgen sehe?«
»Du wirst sie nicht am Morgen sehen!«
»Aber Krähen fliegen den ganzen Tag«
»Nicht deine Sendboten, du Narr!«
»Was ist mit deinen Sendboten, Don Juan?«
»Meine werden am Mcrgen kommen. Es werden ebenfalls drei sein. Mein Wohltäter sagte mir, daß man sie in die Schwärze zurückschreien könne, wenn man nicht sterben will. Aber jetzt weiß ich, daß es nicht geht Mein Wohltäter war dem Rufen und all dem Gerede und der Leidenschaft des Teufelskrauts verfallen. Ich weiß, daß der Rauch anders ist, denn er ist ohne Leidenschaft: Er ist gerecht Wenn deine silbernen Sendboten zu dir kommen, dann ist es nicht nötig, mit ihnen zu schreien. Fliege nur mit ihnen, so wie du es schon getan hast. Nachdem sie dich abgeholt haben, werden sie ihre Richtung umkehren, und es werden vier sein, die davonfliegen.«

Sonnabend, 10. April 1965
    Ich erlebte kurze Momente der Verwirrung oder leichte Zustände nichtalltäglicher Wirklichkeit Ein Element der hallluziragener Erfahrung mit den Pilzen tauchte immer wieder in meinen Gedanken auf: die weiche, dunkle Masse der Nadellöcher. Ich sah sie immer wieder als eine Fett- oder Ölblase, die mich in ihre Mitte zu ziehen begann. Es war beinahe so, als würde die Mitte sich äffhen und mich verschlucken, und für sehr kurze Momente erlebte ich so etwas wie einen Zustand nichtalltäglicher Wirklichkeit Als Resultat stellten sich Momente tiefer Erregung, Angst und Unbehagen ein, und ich bemühte mich angestrengt, die Beobachtungen zu beenden, sobald sie begannen.
    Heute diskutierte ich diese Erfahrungen mit Don Juan. Ich bat ihn um Hilfe. Er schien nicht beunruhigt und riet mir, diese Erfahrungen nicht zu beachten, denn sie seien bedeutungslos oder vielmehr wertlos. Er sagte, die einzigen Erlebnisse, die meiner Anstrengung und Besorgnis wert säen, wären die, in denen ich eine Krähe sah; jede andere Art von »Vision« sei lediglich das Ergebnis meiner Furcht Er ermahnte mich wieder, daß ein starkes, ruhiges Leben nötig sei, um den Rauch einzunehmen. Ich selbst schien eine gefährliche Schwelle erreicht zu haben. Ich sagte ihm, daß ich wirklich glaubte, nicht weitermachen zu können; die Pilze hätten etwas wirklich Erschreckendes. Beim Überdenken der Bilder aus meiner halluzinogenen Erfahrung war ich zu dem unvermeidlichen Schluß gekommen, daß ich die Welt in einer Weise gesehen hatte, die sich strukturell von gewöhnlicher Sicht unterschied. In anderen Zuständen nichtalltäglicher Wirklichkeit, die ich erfahren hatte, waren die Formen und Muster, die ich sah, immer innerhalb meiner visuellen Vorstellung der Welt. Aber unter dem Einfluß der halluzinogenen Rauchmixtur war die Empfindung des Sehens nicht die gleiche. Alles, was ich sah, war vor mir in einer direkten Linie des Sehens; nichts lag über oder unter dieser Sehlinie. Jedes Bild habe eine irisierend dünne Fläche und dennoch eine beunruhigende, dunkle Tiefe. Vielleicht wäre es genauer zu sagen, daß die Bilder ein Konglomerat unglaublich scharfer Einzelheiten waren, die in Feldern unterschiedlichen Lichts lagen; das Licht in den Feldern bewegte sich und erzeugte einen Rotationseffekt. Nach den Versuchen und Anstrengungen, mich zu erinnern, war ich gezwungen, eine Reihe von Analogien und Gleichnissen aufzustellen, um zu »verstehen«, was ich »gesehen« hatte. Don Juans Gesicht zum Beispiel sah aus, als wäre er unter Wasser getaucht worden. Das Wasser schien sich in ununterbrochenem Fluß über sein Gesicht und seine Haare zu bewegen. Das Wasser vergrößerte Gesicht und Haare,

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