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Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens

Titel: Don Juan 01 - Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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bestand, sollte ich einfach mit gekreuzten Beinen auf meiner Stelle sitzen. In Augenblicken äußerster Gefahr jedoch, sagte er, könne ich zu einem letzten Mittel der Verteidigung greifen - einen Gegenstand gegen den Feind schleudern. Er sagte, daß man gewöhnlich ein Macht-Objekt wirft, aber da ich keines besaß, war ich gezwungen, irgendeinen kleinen Stein zu nehmen, der in die Fläche meiner rechten Hand paßte. Es mußte ein Stein sein, den ich mit dem Daumen gegen die Handfläche pressen kcnnte. Er sagte, daß man diese Methode nur anwenden scll, wenn man unbestreitbar in Gefahr sei, das Leben zu verlieren. Das Schleudern des Objekts mußte von einem Kriegsschrei begleitet werden, ein Schrei, der die Eigenschaft hatte, das Objekt auf sein Ziel zu lenken. Entschieden ermahnte er mich, mit dem Schrei vorsichtig und überlegt zu sein, ihn nicht blindlings anzuwenden, sondern nur »im genauen Bewußtsein der ernsten Situation«.
    Ich fragte ihn, was er mit dem »genauen Bewußtsein der ernsten Situation« meinte. Er sagte, daß der Ausruf oder Kriegsschrei etwas sei, das einem Menschen für die Dauer seines Lebens bleibe; deshalb müsse er von Anfang an gut sein Er müsse richtig begonnen, das heißt, die angeborene Furcht und Hast unterdrückt werden, bis man völlig mit Kraft durchdrungen sei, und dann würde der Schrei mit Ziel und Kraft ausbrechen. Er sagte, dies sei das Bewußtsein der ernsten Situation, das notwendig sei, um den Schrei auszustoßen.
    Ich bat ihn, mir die Kraft zu erklären, von der man vor dem Ausruf durchdrungen sein sollte. Er sagte, das sei etwas, das vom Boden, auf dem man stand, durch den Körper lief; es sei eine Art Kraft, die von der bevorzugten Stelle ausging Es sei eine Kraft, die den Schrei ausstieß. Wenn so eine Kraft richtig gehandhabt würde, wäre der Kampfschrei vollkommen. Ich fragte ihn wieder, ob er glaube, daß mir etwas passieren würde. Er sagte, er wüßte nichts darüber und ermahnte mich eindringlich, solange es nötig war, fest auf meiner Stelle zu bleiben, denn dies sei der einzige Schutz, den ich gegen alles hätte, was passieren könnte.
    Ich begann mich zu fürchten; ich bat ihn, mir mehr zu sagen. Er sagte, er wüßte nur, daß ich mich unter gar keinen Umständen bewegen sollte; ich sollte weder ins Haus noch in die Büsche gehen. Vor allem, sagte er, solle ich kein einziges Wort sprechen, nicht einmal zu ihm. Er sagte, ich könnte meine Mescalitolieder singen, wenn ich mich zu sehr fürchtete, und dann fügte er hinzu, daß ich schon zuviel über diese Dinge wüßte, um noch über die Wichtigkeit gewissenhaften Handelns wie ein Kind belehrt werden zu müssen.
    Seine Ermahnungen riefen einen Zustand tiefer Angst in mir hervor. Ich war sicher, er erwartete, daß irgend etwas passieren würde. Ich fragte ihn, warum er mir riet, die Mescalitolieder zu singen und was mich seiner Meinung nach erschrecken würde. Er lachte und sagte, ich könnte Angst davor bekommen, allein zu sein. Er ging ins Haus und schloß die Tür hinter sich. Ich sah auf meine Uhr. Es war 7 Uhr abends. Ich saß lange Zeit still. Aus Don Juans Raum kamen keine Geräusche. Alles war still. Es war windig. Ich dachte daran, aus meinem Auto schnell meine Windjacke zu holen, aber ich wagte es nicht, gegen Don Juans Rat zu handeln. Ich war nicht schläfrig, aber erschöpft; der kalte Wind hinderte mich auszuruhen.
    Vier Stunden später hörte ich Don Juan ums Haus gehen. Ich dachte, er könnte, um in den Büschen zu urinieren, zur Hintertür hinausgegangen sein Dann riefer mich laut
    »He Junge! He Junge! Ich brauch dich hier«, sagte er. Ich wäre beinahe aufgestanden, um zu ihm zu gehen. Es war seine Stimme, aber weder sein Tonfall noch seine gewöhnlichen Worte. Don Juan hatte mich nie »He Junge!« gerufen. Ich blieb, wo ich war.. Schauer liefen meinen Rücken herauf. Er begann wieder, mit demselben oder einem ähnlichen Ausdruck zu rufen. Ich hörte ihn hinten ums Haus gehen. Er stolperte über einen Holzhaufen, als wüßte er nicht, daß er dort sei. Dann kam er zu der Veranda und setzte sich neben die Tür mit dem Rücken zur Wand. Er schien schwerer als gewöhnlich. Seine Bewegungen waren nicht langsam oder unbeholfen, nur schwerer-. Er ließ sich auf den Boden fallen, statt geschickt auf den Boden zu gleiten, wie er es gewöhnlich tat. Außerdem war es nicht seine Stelle, und Don Juan würde unter gar keinen Umständen irgendwo anders sitzen.
    Dann sprach er wieder mit mir-. Er fragte

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