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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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die Erregung meiner Bauchmuskeln nicht mehr beherrschen.
    Auf Don Juans Geheiß wälzte ich mich am Boden, bis ich mich wieder beruhigt hatte, und dann nahm ich ihnen gegenüber wieder Platz.
    »Ist der Doppelgänger aus fester Materie?« fragte ich Don Juan nach langem Schweigen. Sie sahen mich an. »Ist der Doppelgänger körperlich?« fragte ich. »Gewiß«, sagte Don Juan. »Festigkeit. Körperlichkeit, das sind Erinnerungen. Daher sind sie, wie alles, was wir über die Welt wissen, Erinnerungen, die wir ansammeln. Erinnerungen an die Beschreibung. Du hast eine Erinnerung an meine Festigkeit, genau wie du eine Erinnerung an die Verständigung mit Worten hast. Daher sprachst du mit einem Kojoten und empfindest mich als fest.«
    Don Juan rückte näher und stieß mich leicht mit der Schulter an.
    »Faß mich an!« sagte er.
    Ich berührte ihn, und dann fiel ich ihm in die Arme. Ich war den Tränen nahe.
    Don Genaro stand auf und kam näher. Er sah aus wie ein kleines Kind mit leuchtenden, schelmischen Augen. Er spitzte die Lippen und schaute mich eindringlich an.
    »Und was ist mit mir?« fragte er und versuchte ein Lächeln zu verbergen. »Willst du nicht auch mich umarmen?« Ich stand auf und streckte die Arme aus, um ihn anzufassen; mein Körper erstarrte auf der Stelle. Ich hatte keine Kraft, mich zu bewegen. Mit aller Gewalt versuchte ich, den Arm nach ihm auszustrecken, aber meine Mühe war vergeblich. Don Juan und Don Genaro standen da und beobachteten mich. Ich spürte, wie mein Körper sich unter einem unheimlichen Druck krümmte.
    Don Genaro setzte sich und tat so, als sei er gekränkt, weil ich ihn nicht umarmt hatte; er schmollte und stampfte mit dem Fuß auf den Boden - und abermals brachen die beiden in brüllendes Gelächter aus.
    Meine Bauchmuskeln bebten, und ich zitterte am ganzen Körper. Don Juan beschwor mich, meinen Kopf so zu bewegen, wie er es mir früher einmal empfohlen hatte, und meinte, dies sei die einzige Möglichkeit, mich zu beruhigen, indem ich nämlich einen Lichtstrahl in der Hornhaut meiner Augen sich spiegeln ließ. Mit Gewalt zerrte er mich unter dem Vordach heraus aufs offene Feld. Nun brachte er meinen Körper in eine Haltung, bei der die östliche Sonne in meine Augen fiel. Aber als er mich schließlich in die richtige Stellung gebracht hatte, zitterte ich nicht mehr. Erst als Don Genaro meinte, daß mein Zittern wohl vom Gewicht des Papiers herrühren müsse, bemerkte ich. daß ich meinen Notizblock fest umklammert hielt.
    Ich sagte Don Juan, daß mein Körper mich zum Fortgehen drängte. Ich winkte Don Genaro zu. Ich wollte ihnen keine Zeit lassen, mich umzustimmen.
    »Lebe wohl. Don Genaro«, rief ich. »Ich muß jetzt gehen.« Er winkte zurück.
    Don Juan begleitete mich ein paar Schritte bis zu meinem Auto.
    »Hast du auch einen Doppelgänger, Don Juan?« fragte ich. »Natürlich!« rief er.
    In diesem Augenblick kam mir eine beängstigende Idee. Ich wollte sie abschütteln und eilig aufbrechen, aber irgend etwas in mir machte mich stutzig. In all den Jahren unserer Verbindung hatte ich mich daran gewöhnt, daß ich jedesmal, wenn ich Don Juan sehen wollte, nur nach Sonora oder Zentralmexiko zu fahren brauchte, um ihn anzutreffen - stets mich erwartend. Ich hatte gelernt, dies als selbstverständlich hinzunehmen, und bis dahin war mir nie eingefallen, etwas Besonderes dabei zu finden.
    »Sag mir etwas, Don Juan«, sagte ich halb im Scherz. »Bist du es selbst oder bist du dein Doppelgänger?« Er beugte sich zu mir herüber. Er grinste. »Mein Doppelgänger«, flüsterte er. Mein Körper schnellte in die Luft, wie von einer unheimlichen Kraft getrieben. Ich rannte zu meinem Auto. »Ich habe bloß Spaß gem acht«, rief Don Juan mit erhobener Stimme. »Du darfst noch nicht fort. Du schuldest mir immer noch fünf Tage.«
    Die beiden rannten auf mein Auto zu, während ich einstieg. Sie lachten und hüpften auf und ab.
    »Carlitos, ruf mich, wann immer du willst!« schrie Don Genaro.

Der Träumer und der Geträumte
    Ich fuhr zu Don Juan und traf am frühen Morgen bei ihm ein. Die Nacht hatte ich unterwegs in einem Motel verbracht, damit ich noch vormittags bei ihm einträfe. Don Juan war im Haus und trat heraus, als ich ihn rief. Er begrüßte mich herzlich, und ich hatte den Eindruck, daß er sich freute, mich zu sehen. Er machte eine Bemerkung, die mich offenbar aufheitern sollte, die aber die gegenteilige Wirkung auf mich hatte. »Ich habe dich kommen gehört«, sagte

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