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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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zu sein, und daß es nur darauf ankommt zu leben; das Leben ist der kleine Umweg, den wir heute machen. Das Leben ist ein zureichender Grund, es erklärt sich aus sich selbst und ist vollkommen. Ein Krieger weiß dies und lebt dementsprechend. Daher könnte man ohne Überheblichkeit sagen, daß es die Erfahrung der Erfahrungen ist. ein Krieger zu sein.« Er schien darauf zu warten, daß ich etwas sagte. Ich zögerte. Ich wollte mir meine Worte sorgfältig überlegen. »Wenn ein Krieger Trost braucht«, fuhr er fort, »dann wendet er sich einfach an den Nächstbesten und erklärt diesem ausführlich, was ihn bedrückt. Jedenfalls sucht der Krieger nicht Hilfe oder Verständnis; indem er spricht, befreit er sich lediglich von dem Druck, der auf ihm lastet. Vorausgesetzt allerdings, daß es dem Krieger gegeben ist zu sprechen: wenn nicht, erzählt er niemandem etwas von sich. Du aber lebst überhaupt nicht wie ein Krieger. Jedenfalls noch nicht. Und die Fallstricke, in die du tappst, müssen wahrhaft gewaltig sein. Du kannst auf mein ganzes Mitleid zählen.« Er meinte es nicht scherzhaft. Nach der Anteilnahme in seinem Blick zu urteilen, schien er zu wissen, wovon er sprach. Er stand auf und streichelte mir den Kopf. Er schritt die volle Länge der Veranda auf und ab und blickte gleichgültig zum Chaparral hinter dem Haus hinüber. Seine Bewegungen lösten bei mir ein Gefühl der Rastlosigkeit aus. Um mich zu entspannen, fing ich an. über mein Dilemma zu sprechen. Ich hatte den Eindruck, daß es im Grunde zu spät war, so zu tun, als sei ich ein harmloser Außenstehender. Unter Don Juans Leitung hatte ich mich geübt, bis ich zu seltsamen Wahrnehmungen fähig war, wie etwa das »Anhalten des inneren Dialogs« oder das Kontrollieren meiner Träume. Das waren Dinge, die man nicht vortäuschen konnte. Ich hatte seine Anweisungen befolgt, wenn auch nie buchstäblich, und es war mir zum Teil gelungen, meine Alltagsroutine zu unterbrechen, die Verantwortung für meine Handlungen zu übernehmen und meine persönliche Geschichte auszulöschen, und schließlich hatte ich einen Punkt erreicht, vor dem ich mich vor Jahren noch gefürchtet hätte: ich konnte jetzt allein sein, ohne daß dies meinem körperlichen oder emotionalen Wohlbefinden Abbruch tat. Dies war vielleicht mein allererstaunlichster Sieg. In Anbetracht meiner früheren Hoffnungen und Stimmungen war der Zustand, allein und dabei nicht »wie von Sinnen« zu sein, ganz unvorstellbar. Ich war mir all der Veränderungen, die in meinem Leben und in meiner Weltauffassung stattgefunden hatten, wohl bewußt, und mir war klar, daß es irgendwie überflüssig war, sich von Don Juans und Don Genaros Enthüllungen über den »Doppelgänger« so tief aufwühlen zu lassen. »Was mache ich denn falsch, Don Juan?« fragte ich. »Du läßt dich gehen«, fuhr er mich an. »Du meinst, es sei ein Zeichen von Sensibilität, in Zweifeln und Klagen zu schwelgen. Nun, wenn du die Wahrheit hören willst, du bist alles andere als sensibel. Warum gibst du es also vor? Irgendwann habe ich dir einmal gesagt, ein Krieger akzeptiert in Demut, was er ist.«
    »Du stellst es so dar, als brächte ich mich absichtlich in Verlegenheit«, sagte ich.
    »Allerdings bringen wir uns absichtlich in Verlegenheit«, sagte er. »Wir sind uns stets unserer Taten bewußt. Unsere kümmerliche Vernunft bläht sich absichtlich zu dem Monstrum auf, das sie zu sein vorgibt. Sie ist aber zu klein für eine so große Schale.«
    Ich erklärte ihm, daß mein Dilemma wohl komplizierter sei. als er es nun darstelle. Denn solange er selbst und Don Genaro Menschen wie ich waren, machte ihre eindrucksvolle Überlegenheit sie zu Vorbildern für mein eigenes Verhalten. Waren sie aber im Grunde völlig andere Menschen als ich. dann konnte ich sie nicht mehr als Vorbilder akzeptieren, sondern mußte sie für wunderliche Originale halten, denen ich unmöglich nacheifern mochte.
    »Genaro ist ein Mensch«, sagte Don Juan mit Bestimmtheit. »Gewiß. er ist nicht mehr Mensch als du. Aber das ist sein Verdienst, und es sollte dir keine Angst machen. Wenn er anders ist - um so mehr Grund, ihn zu bewundern.«
    »Aber sein Anderssein ist kein menschliches Anderssein«, sagte ich.
    »Und was. glaubst du wohl, ist es? Etwa wie der Unterschied zwischen einem Menschen und einem Pferd!«
    »Ich weiß es nicht. Aber er ist nicht wie ich.«
    »Doch, das war er einmal.«
    »Aber kann denn ich seine Veränderung begreifen?«
    »Gewiß. Denn du

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