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Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten

Titel: Don Juan 04 - Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Juan sagte in strengem Ton, ich sei zu schwerfällig und nähme mich selbst zu wichtig.
    »Sei locker!« befahl er mir scharf. »Du weißt, daß Genaro ein Zauberer und ein makelloser Krieger ist. Daher kann er Taten vollbringen, die für den normalen Menschen undenkbar sind. Sein Doppelgänger, der andere Genaro, ist eine dieser Taten.«
    Ich war sprachlos. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie mich einfach an der Nase rumführten.
    »Für einen Krieger wie Genaro«, fuhr er fort, »ist es kein gar so ungewöhnliches Unterfangen, den Anderen hervorzubringen.« Lange überlegte ich, was ich noch sagen sollte, dann fragte ich: »Ist der Andere wie das Selbst?«
    »Der Andere ist das Selbst«, erwiderte Don Juan. Seine Erklärung hatte eine unglaubliche Wendung genommen, doch war sie eigentlich nicht unglaublicher als alles andere, was sie taten. »Woraus besteht der Andere?« fragte ich Don Juan nach Minuten der Unentschlossenheit. »Das zu wissen ist unmöglich«, sagte er. »Ist er real oder bloß eine Illusion?«
    »Natürlich ist er real.«
    »Könnte man dann sagen, daß er aus Fleisch und Blut ist?« fragte ich.
    »Nein, das kann man nicht«, antwortete Don Genaro. »Aber wenn er so wirklich ist wie ich . . .«
    »So wirklich wie du?« unterbrachen mich Don Juan und Don Genaro wie aus einem Mund.
    Sie schauten einander an und lachten, bis ich meinte, sie müßten sich gleich übergeben. Don Genaro warf seinen Hut auf den Boden und tanzte um ihn herum. Sein Tanz war gewandt und anmutig und aus irgendeinem unerklärlichen Grund äußerst spaßig. Vielleicht lag der Witz in den höchst »professionellen« Schritten, die er ausführte. Diese Unstimmigkeit war so subtil und gleichzeitig so auffällig, daß ich in ihr Gelächter einstimmen mußte.
    »Die Schwierigkeit mit dir, Carlitos«. meinte er. als er wieder saß, »besteht darin, daß du ein Genie bist.«
    »Ich muß mehr über den Doppelgänger wissen«, sagte ich. »Es ist unmöglich zu wissen, ob er aus Fleisch und Blut ist«, sagte Don Juan. »Denn er ist nicht so wirklich wie du. Genaros Doppelgänger ist so wirklich wie Genaro. Verstehst du, was ich meine?«
    »Aber du mußt zugeben, Don Juan, daß es doch möglich sein muß, dies zu wissen.«
    »Der Doppelgänger ist das Selbst. Diese Erklärung sollte genügen. Aber wenn du sehen könntest, dann wüßtest du, daß ein großer Unterschied zwischen Genaro und seinem Doppelgänger besteht. Für einen Zauberer, der sieht, leuchtet der Doppelgänger heller.«
    Ich fühlte mich zu schwach, um noch weitere Fragen zu stellen. Ich legte mein Schreibzeug weg, und einen Augenblick war mir, als würde ich ohnmächtig. Ich hatte die Vision eines Tunnels; alles um mich her war dunkel, ausgenommen ein runder Fleck vor meinen Augen, der ein klares Bild zeigte. Don Juan sagte, ich müsse etwas essen. Ich war nicht hungrig. Don Genaro verkündete, er sei ganz ausgehungert, dann stand er auf und ging in den rückwärtigen Teil des Hauses. Don Juan stand ebenfalls auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. In der Küche füllte Don Genaro sich einen Teller und ahmte dann äußerst komisch einen Menschen nach, der essen will, aber nicht schlucken kann. Mir kam es so vor, als wolle Don Genaro gleich seinen Geist aufgeben; er brüllte, strampelte, schrie, keuchte und würgte vor Lachen. Auch ich mußte mir den Bauch halten. Don Genaros Possen waren unvergleichlich. Schließlich hielt er inne und blickte Don Juan und mich nacheinander an; seine Augen leuchteten und er lächelte strahlend.
    »Es geht nicht«, sagte er achselzuckend. Ich aß eine gewaltige Portion. Don Juan ebenfalls; dann kehrten wir alle drei zum Vorplatz des Hauses zurück. Die Sonne strahlte, der Himmel war klar, und die Morgenbrise erfrischte die Atmosphäre. Ich fühlte mich glücklich und gestärkt.
    Wir saßen im Dreieck einander gegenüber. Nach einem höflichen Schweigen beschloß ich, sie zu bitten, mir bei der Klärung meines Dilemmas zu helfen. Ich fühlte mich wieder in bester Form und wollte meine Stärke erproben. »Erzähl mir mehr über den Doppelgänger, Don Juan«, sagte ich. Don Juan deutete auf Don Genaro, und Don Genaro verbeugte sich.
    »Das ist er«, sagte Don Juan. »Mehr gibt es nicht zu sagen. Er ist hier, damit du dich selbst von seiner Existenz überzeugen kannst.«
    »Aber das ist doch Don Genaro«, sagte ich in einem schwachen Versuch, das Gespräch zu steuern. »Gewiß bin ich Genaro«, sagte er und hob die Schultern. »Was ist

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