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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Erklärungen zu suchen.
    La Gorda stellte die drei Mädchen in einer Reihe auf. Dann zog sie mich an ihre Seite. Sie alle verschränkten die Arme hinter dem Rücken. La Gorda befahl mir, das gleiche zu tun. Sie zog meine Arme nach hinten, soweit es ging, dann hieß sie mich, sie anzuwinkeln und meine Unterarme, nahe am Ellbogen, möglichst fest zu umklammern. Dies erzeugte eine starke Muskelspannung in meinen Schultergelenken. Sie beugte meinen Rumpf nach vorn, bis ich beinah vornüber stürzte. Dann stieß sie einen bestimmten Vogelruf aus. Es war ein Signal. Lidia fing an zu gehen. In der Dunkelheit erinnerten ihre Bewegungen an einen Schlittschuhläufer. Sie ging rasch und lautlos, und nach einer Weile verschwand sie aus meinem Blickfeld.
    Dann stieß la Gorda nacheinander zwei weitere Vogelrufe aus, und Rosa und Josefina gingen los, genau wie vorhin Lidia. La Gorda empfahl mir, mich eng an sie zu halten. Sie stieß noch einen Vogelruf aus, und wir beide gingen los. Ich war überrascht, mit welcher Leichtigkeit ich gehen konnte. Mein ganzes Gleichgewichtsgefühl konzentrierte sich in meinen Beinen. Die Tatsache, daß ich die Arme hinter dem Rücken verschränkt hatte, behinderte mich gar nicht, sondern half mir, ein merkwürdiges Gleichgewicht zu wahren. Vor allem aber überraschte mich die Lautlosigkeit meiner Schritte.
    Als wir die Straße erreichten, fielen wir in eine normale Gangart. Wir begegneten zwei Männern, die uns entgegen kamen. La Gorda grüßte sie, und sie grüßten wieder. Als wir beim Haus anlangten, fanden wir die Schwesterchen vor, die an der Tür standen und nicht einzutreten wagten. La Gorda sagte ihnen, daß ich, auch wenn ich die Verbündeten nicht kontrollieren könne, sie doch rufen und wieder wegschicken könne und daß die Verbündeten uns nicht mehr peinigen würden. Die Mädchen glaubten ihr - was ich in diesem Fall nicht recht konnte. Wir gingen ins Haus. Ganz ruhig und sachlich zogen sie alle sich aus, übergössen sich mit kaltem Wasser und legten frische Kleider an. Ich machte es ebenso. Ich zog meine alten Sachen an, die ich in Don Juans Haus verwahrt hatte und die la Gorda mir in einer Schachtel brachte.
    Wir alle waren bester Laune. Ich bat la Gorda, mir zu erklären, was wir eigentlich gemacht hatten.
    »Darüber werden wir später sprechen«, sagte sie in bestimmtem Ton.

Da fiel mir ein, daß die Päckchen, die ich ihnen mitgebracht hatte, noch immer im Auto waren. Während la Gorda ein Essen kochte, so dachte ich mir, wäre doch eine gute Gelegenheit, sie zu verteilen. Ich ging hinaus, holte sie aus dem Wagen und brachte sie ins Haus. Ich stellte sie auf den Tisch. Lidia fragte mich, ob ich schon die Geschenke für jedes der Mädchen bestimmt hätte, wie sie mir geraten hatte. Ich sagte, mir wäre es lieber, wenn jede sich nähme, was ihr gefiel. Sie weigerten sich. Enttäuscht meinten sie, für Pablito und Nestor hätte ich doch gewiß etwas Besonderes mitgebracht, ihnen aber nur einen Haufen billigen Schmuck, den ich nur auf den Tisch werfen und zuschauen würde, wie sie sich darum rauften.
    »Außerdem hast du für Benigno nichts mitgebracht«, sagte Lidia, die neben mich kam und mich mit gespieltem Ernst anblickte. »Du darfst die Gefühle der Genaros nicht verletzen, indem du drei Männern zwei Geschenke machst.«
    Alle lachten. Ich wurde verlegen. Sie hatte völlig recht mit allem, was sie sagte.
    »Du bist achtlos, und deshalb habe ich dich nie gemocht«, sagte Lidia, und ihr Lächeln wich einer finsteren Miene. »Du hast mich nie mit Zuneigung oder Respekt begrüßt. Immer wenn wir uns sahen, hast du nur so getan, als freutest du dich, mich zu sehen.« Sie imitierte meine offenkundig gespielt überschwängliche Art der Begrüßung - wie ich sie in der Vergangenheit wohl unzählige Male begrüßt hatte.
    »Warum hast du mich nie gefragt, was ich hier tue?« fragte mich Lidia.
    Ich unterbrach mein Schreiben, um mir ihren Vorwurf zu überlegen. Mir war nie in den Sinn gekommen, sie irgend etwas zu fragen. Ich sagte ihr, ich wisse keine Entschuldigung. La Gorda mischte sich ein und meinte, ich hätte wohl deshalb mit Rosa und Lidia nie mehr als ein paar Worte gewechselt, weil ich gewöhnt sei, nur mit Frauen zu sprechen, in die ich auf die eine oder andre Art verliebt sei. Außerdem, sagte la Gorda, habe der Nagual ihnen eingeschärft, nur dann meine Fragen zu beantworten, wenn ich sie direkt nach etwas fragte; solange ich nicht fragte, sollten sie von sich aus nichts

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