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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Stab. Ich spürte die Wucht ihres Sturzes im eignen Leib - vielleicht mehr noch als sie. Sie landete in hockender Stellung und verharrte reglos, nach Atem ringend. Ich wälzte mich mit peinigenden Magenkrämpfen am Boden.
    La Gorda rollte durchs Zimmer, nahm ihren Schal ab und wickelte ihn wie eine Bandage um meine Nabelgegend, wobei sie ihn ein paarmal um meinen Leib schlang. Wie ein Schatten rollte sie zur südlichen Wand zurück.
    Während la Gorda mir den Schal um die Hüften schlang, hatte ich Rosa aus den Augen verloren. Als ich jetzt aufblickte, saß sie wieder vor der nördlichen Wand. Gleich darauf bewegte Josefina sich leise in die Mitte des Zimmers. Mit lautlosen Schritten ging sie zwischen der Stelle, wo Lidia saß, und ihrem eigenen Platz an der westlichen Wand hin und her. Dabei wandte sie mir die ganze Zeit ihr Gesicht zu. Plötzlich, als sie sich eben wieder ihrem Platz näherte, hob sie den rechten Arm und hielt ihn sich vor die Augen, als wollte sie meinen Blick abwehren. Einen Moment lang war die Hälfte ihres Gesichts hinter ihrem Unterarm verborgen. Sie senkte und hob ihn wieder, und diesmal verbarg sie ihr ganzes Gesicht. Diese Bewegung, das Senken und Heben des Unterarms, wiederholte sie zahllose Male, während sie geräuschlos von einer Seite des Zimmers zur anderen schritt. Jedesmal, wenn sie den Unterarm hob, blieb ein größerer Teil ihres Körpers meinem Blick verborgen. Dann kam irgendwann der Moment, wo ihr ganzer Körper, eingehüllt in ausgestopfte Gewänder, hinter ihrem mageren Arm versteckt war.
    Es war, als ob sie, indem sie meinen Körper - ich saß etwa vier Meter von ihr entfernt - vor ihrem Blick verdeckte, was mit der Breite ihres Armes ohne weiteres möglich war, zugleich auch ihren Körper vor meinem Blick abschirmte - was eben mit der Breite ihres Armes unmöglich war.
    Sobald sie ihren ganzen Körper verborgen hatte, konnte ich nur noch den Umriß eines in der Luft schwebenden Unterarmes ausmachen, der von einer Seite des Zimmers zur anderen schwebte; und irgendwann konnte ich auch den Arm kaum noch erkennen.
    Ich spürte einen inneren Aufruhr, einen unerträglichen Ekel. Der hüpfende Unterarm erschöpfte meine Energie. Ich verlor das Gleichgewicht und glitt zur Seite. Ich sah, wie der Arm zu Boden fiel. Dann lag Josefina auf der Erde, bedeckt mit Stoffbahnen, die aussahen, als sei ihr aufgebauschtes Gewand geplatzt. Sie lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken.
    Ich brauchte lange, bis ich mein körperliches Gleichgewicht wiederfand. Meine Kleider waren schweißnaß. Ich war nicht der einzige, den es so mitgenommen hatte. Auch die anderen waren erschöpft und schweißgebadet. La Gorda wirkte noch am ausgeglichensten, aber ihre Selbstbeherrschung schien jeden Moment zusammenzubrechen. Ich hörte sie alle, auch la Gorda, schwer durch den Mund atmen.
    Als ich mich wieder ganz in Kontrolle hatte, saßen sie alle an ihren Plätzen. Die Schwesterchen schauten mich starr an. Aus dem Augenwinkel entdeckte ich, daß la Gordas Augen halb geschlossen waren. Plötzlich rollte sie geräuschlos zu mir und flüsterte mir ins Ohr, ich solle mit meinem Nachtfalterruf beginnen und ihn halten, bis die Verbündeten ins Haus gestürmt kämen, bereit uns zu packen.
    Ich zögerte. Sie flüsterte mir zu, es sei unmöglich, jetzt noch die Richtung zu ändern, und wir müßten zu Ende führen, was wir begonnen hatten. Nachdem sie ihren Schal von meiner Hüfte losgeknüpft hatte, rollte sie an ihren Platz zurück und setzte sich. Ich legte die linke Hand an die Lippen und versuchte das tuckernde Geräusch zu machen. Anfangs fiel es mir sehr schwer. Meine Lippen waren trocken und meine Hände waren schweißnaß, aber nach anfänglicher Ungeschicklichkeit überkam mich ein kraftvolles Gefühl der Ruhe. Ich brachte das makelloseste Tuckern hervor, das mir je gelungen war. Es erinnerte mich an das Pochen, das ich immer als Antwort auf meinen Ruf gehört hatte. Als ich aufhörte, um Atem zu schöpfen, vernahm ich, daß das Tuckern aus allen Richtungen beantwortet wurde.
    La Gorda bedeutete mir weiterzumachen. Ich stieß noch drei Folgen dieser Geräusche aus. Die letzte war geradezu hypnotisch. Ich brauchte nicht einmal Luft zu holen und sie in kurzen Schüben auszustoßen, wie ich es bisher gemacht hatte. Diesmal kam das Tuckern frei aus meinem Mund. Ich brauchte dazu nicht einmal die Handkante zu benutzen.
    Plötzlich rannte la Gorda auf mich zu, riß mich an den Achseln in die Höhe und schob

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