Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft
mich an die Hülle denken ließ, in der Don Juan seine Pfeife aufzubewahren pflegte. Ich erinnerte Lidia daran, daß sie gesagt hatte, sie würde mir dieses Päckchen geben, wenn la Gorda da sei.
Die Schwesterchen wechselten einen Blick und schauten la Gorda fragend an.
Sie nickte. Josefina stand auf und ging aus dem Zimmer. Kurz darauf kehrte sie mit dem Bündel zurück, das Lidia mir gezeigt hatte.
Ich spürte eine erwartungsvolle Beklemmung in der Magengrube. Josefina legte das Bündel achtsam vor mich auf den Tisch. Alle rückten neugierig heran. Sie fing an es ebenso feierlich aufzuschnüren, wie Lidia damals beim ersten Mal. Als das Paket ganz ausgewickelt war, kippte sie den Inhalt auf den Tisch. Es waren Menstruationsbinden!
Ich war einen Moment verärgert. Aber la Gordas Lachen, das die Juchzer der anderen noch übertönte, klang so ansteckend, daß ich selbst lachen mußte.
»Das ist Josefinas Hygienebeutel«, sagte la Gorda. »Sie hatte die großartige Idee, deine Gier auf ein Geschenk vom Nagual zu wecken, um dich zum Bleiben zu bewegen.«
»Du mußt zugeben, daß es eine gute Idee war«, sagte Lidia zu mir. Sie imitierte den gierigen Gesichtsausdruck, den ich wohl gehabt hatte, als sie anfing das Bündel aufzuschnüren, und dann mein enttäuschtes Gesicht, als sie nicht weitermachte. Ich sagte zu Josefina, daß ihre Idee wirklich großartig gewesen sei und tatsächlich die erwartete Wirkung gehabt habe und daß ich dieses Päckchen begehrt hatte, mehr als ich zugeben wollte. »Du kannst es haben, wenn du willst«, sagte Josefina und brachte damit alle zum Lachen.
La Gorda erklärte, der Nagual habe von Anfang an gewußt, daß Josefina nicht wirklich krank war; dies war auch der Grund, warum es für ihn so schwer war, sie zu heilen. Leute, die wirklich krank sind, sind fügsamer. Josefina wußte alles besser, sie war sehr störrisch, und er mußte sie viele Male >rauchen<. Das gleiche hatte Don Juan auch einmal über mich gesagt, nämlich daß er mich >geraucht< habe. Ich hatte dies immer so verstanden, als meine er, er habe psychotrope Pilze geraucht, um mich in einer Vision zu >sehen<. »Wie hat er dich geraucht?« fragte ich Josefina.
Sie hob die Achseln und antwortete nicht. »Genau wie er dich rauchte«, sagte Lidia. »Er zog dein Leuchten an und dörrte es im Rauch eines Feuers, das er angefacht hatte.« Ich war ganz sicher, daß Don Juan mir dergleichen nie erklärt hatte. Ich bat Lidia, mir zu sagen, was sie darüber wußte. Sie schaute la Gorda fragend an.
»Rauch ist sehr wichtig für die Zauberer«, sagte la Gorda. »Rauch ist wie Nebel. Nebel ist natürlich noch besser, aber es ist zu schwer, damit umzugehen. Er ist nicht so handlich wie der Rauch. Wenn also ein Zauberer sehen und jemanden erkennen will, der sich verstellt, der eigensinnig und schwierig ist wie du und Josefina, dann macht der Zauberer ein Feuer und läßt den Rauch den Betreffenden einhüllen. Was er auch verbergen mag - im Rauch kommt's zum Vorschein.«
La Gorda sagte, der Nagual habe den Rauch nicht nur verwendet, um zu sehen und Menschen zu erkennen, sondern auch um zu heilen. Er badete Josefina im Rauch; er ließ sie neben dem Feuer sitzen oder stehen - in Windrichtung. Der Rauch hüllte sie ein, sie hustete und weinte, aber dies war nur eine vorübergehende Unannehmlichkeit und hatte keinerlei Folgen; die positive Wirkung hingegen war eine allmähliche Reinigung ihrer Leuchtkraft. »Uns alle hat der Nagual im Rauch gebadet«, sagte la Gorda. »Dich hat er sogar noch öfter gebadet als Josefina. Du warst unerträglich, sagte er, und du täuschtest es nicht mal vor, wie sie es tat.«
Jetzt wurde mir alles klar. Sie hatte recht; Don Juan hatte mich Hundert Male vor einem Feuer sitzen lassen. Der Rauch peinigte meinen Hals und meine Augen dermaßen, daß ich mich schon fürchtete, wenn ich sah, wie er dürre Zweige und Äste zusammenlas. Er sagte, ich müsse lernen, meinen Atem zu kontrollieren und mit geschlossenen Augen den Rauch fühlen; so könne ich atmen ohne zu husten.
La Gorda sagte, der Rauch habe Josefina geholfen, so ätherisch und beweglich zu werden, wie sie jetzt war; zweifellos habe er auch geholfen, meine Verrücktheit zu heilen - was immer es damit auf sich hatte.
»Der Nagual sagte, der Rauch nimmt alles von dir«, fuhr la Gorda fort. »Er macht dich klar und eindeutig.« Ich fragte sie, ob sie mit Hilfe des Rauchs herausfinden könne, was jemand verbirgt. Das könne sie ohne weiteres, sagte
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