Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Fräulein Lucinde die Ritterbücher geliebt habe, so wäre keine weitere Lobpreisung nötig gewesen, um mir ihren hohen Verstand kundzugeben, auch würde sie mir nicht so trefflich erschienen sein, wie Ihr sie uns, Señor, gezeichnet habt, wenn ihr der Geschmack an dieser lieblichen Lektüre ermangelt hätte; meinethalben ist es auch nicht vonnöten, noch mehr Worte zur Beschreibung ihrer Schönheit zu verschwenden, sowie über ihren hohen Wert und Verstand, denn aus diesem ihrem Geschmacke ersehe ich, daß sie die schönste und verständigste Frau von der Welt gewesen; doch, Señor, würde es mir zur Freude gereichen, wenn Ihr ihr mit dem Amadis von Gallia zugeleich den herrlichen Don Rugel von Graecia übersandt hättet, denn ich weiß, Dona Lucinde hätte sich sehr über Darayda und Garaya gefreut, nicht minder über die Wohlredenheit des Schäfers Darinel sowie über die wundernswürdigen Verse in seinen Eklogen, die er mit ungemeiner Anmut, mit Witz und Freimütigkeit singt. Doch läßt sich diese Fahrlässigkeit mit der Zeit vielleicht verbessern, und um sie zu verbessern, dürfte mein werter Herr nur mit mir nach meiner Heimat kommen, wo ich ihm mit mehr als dreihundert Büchern aufwarten könnte, die die Freude meiner Seelen und die Unterhaltung meines Lebens ausmachen. Doch halte ich im stillen dafür, daß ich keins von allen behalten habe, soweit hat es die Bosheit der schlechten und neidhaften Zauberer durchgesetzt. Doch mein Herr vergebe mir, daß ich meinem Versprechen zuwidergehandelt, seine Erzählung nicht zu unterbrechen, denn da ich von Ritterschaft und irrenden Rittern hörte, war es mir ebenso unmöglich, nicht etwas darüber zu sagen, wie es den Sonnenstrahlen unmöglich ist, nicht zu wärmen, oder dem Schimmer des Mondes, nicht feucht zu sein. Ich bitte also um Verzeihung sowie um die Fortsetzung, denn dieses ist, was ich mir zur Stunde am meisten wünsche.«
Indem Don Quixote dieses alles sprach, ließ Cardenio seinen Kopf auf die Brust heruntersinken und schien in tiefen Gedanken vergraben, und obgleich ihn Don Quixote zweimal bat, in seiner Geschichte fortzufahren, hob er doch weder den Kopf auf noch sprach ein Wort; nach langer Zeit aber richtete er den Kopf gerade und sagte: »Ich kann es mir nicht aus den Gedanken schlagen, und kein Mensch auf Erden wird es mir aus den Gedanken schlagen oder mich eines anderen überreden, und der soll ein Lümmel sein, der sich selbst vom Gegenteil überredet oder etwas anderes glaubt, als daß der Schuft von Meister Elisabath wirklich bei der Königin Madasima geschlafen habe.«
»Und ich sage nein und beschwöre das«, antwortete Don Quixote mit großer Heftigkeit, indem er sich wie gewöhnlich erzürnte, »und dies ist eine schreckliche Bosheit, oder richtiger zu reden, Hundsfötterei! Die Königin Madasima war eine hocherhabene Dame, und es läßt sich unmöglich glauben, daß eine so glorreiche Prinzessin bei derlei Lausekerl geschlafen habe, und wer das Gegenteil meint, lügt es wie ein Hundsfott, und dieses will ich ihm zu Fuß oder zu Pferde, bewaffnet oder unbewaffnet, bei Tage oder in der Nacht, oder wie es ihm gut dünkt, beweisen.«
Cardenio schaute ihm sehr ernsthaft ins Gesicht, er hatte schon seinen Anfall von Wahnsinn und war wenig aufgelegt, seine Geschichte fortzusetzen, Don Quixote war aber ebensowenig zum Hören aufgelegt, so sehr war er durch das erbittert, was er von der Madasima hatte hören müssen. Wie sonderbar, daß er sich so für sie verwandte, als wäre sie seine eigene und wahrhaftige Dame, so sehr hielten ihn seine sündhaften Bücher in Stricken! Wie sich aber Cardenio, der schon verrückt war, für einen Lügner und Hundsfott schelten hörte, nebst anderen ähnlichen Benennungen, so empfand er den Spaß übel, ergriff einen Kieselstein und warf ihn mit solcher Gewalt dem Don Quixote auf die Brust, daß dieser rücklings überstürzte. Als Sancho Pansa seinen Gebieter in solcher Manier behandeln sah, machte er sich mit geballter Faust über den Verrückten, der Zerlumpte aber empfing ihn so, daß er ihn mit einem Faustschlage zu seinen Füßen niederstreckte, worauf er sich auf ihn begab und ihm nach Herzenslust die Rippen eintrappelte. Der Ziegenhirt, der jenem beistehen wollte, unterwarf sich der nämlichen Gefahr, und nachdem er sie alle besiegt und zerprügelt hatte, stand er ab und entfernte sich mit edler Ruhe, um sich in den Bergen zu verlieren. Sancho richtete sich auf, und wütig, sich so ohne Verschulden
Weitere Kostenlose Bücher