Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Empfindungen darstellte, seine brünstigen Wünsche malte, ihr Andenken feierte und sich ihrem Dienste widmete! Wie ich nun sah, daß diese Liebe mich verzehrte, daß mein Geist über den Wunsch, sie zu sehen, verschmachtete, faßte ich den Vorsatz, das Beste und Einzige zu tun, um das erwünschte und verdiente Gut zu besitzen, und dies war, sie von ihrem Vater zu meiner rechtmäßigen Gattin zu verlangen. Es geschah, und er antwortete, wie er meinen Vorschlag annehmlich und ehrenvoll fände und wünsche, mir ebenso zu erwidern, da aber mein Vater noch lebe, sei es diesem am besten anständig, diese Anfrage zu tun, sei er aber nicht mit ganzem Willen damit übereinstimmend, so sei Lucinde kein Mädchen, um sie verstohlen zu versprechen oder anzunehmen. Ich dankte ihm für seine edle und verständige Antwort und versprach, daß mein Vater selbst sogleich meinen Antrag wiederholen werde, worauf ich mich auch sogleich zu meinem Vater begab, um ihm meine Wünsche mitzuteilen, und sowie ich in sein Zimmer trete, finde ich ihn mit einem offenen Briefe in der Hand, und ehe ich ihn noch anreden kann, sagt er zu mir: ›Lies, Cardenio, diesen Brief und sieh, welche Gnade dir der Herzog Ricardo erzeigt.‹ Dieser Herzog Ricardo ist ein Großer von Spanien, der seine Besitzungen im schönsten Teile von Andalusien hat. Ich nahm und las den Brief, der mir so schmeichelhaft schien, daß es mir selber unverständig vorkam, wenn mein Vater sich nicht dem Willen des Herzogs gefügt hätte, der mich sogleich zu sich verlangte, um der Gesellschafter, nicht der Diener, seines ältesten Sohnes zu sein, wofür er versprach, mich so zu befördern, wie es der Achtung angemessen sei, die er für mich habe. Ich las den Brief und verstummte, noch mehr, als mein Vater sagte: ›In zwei Tagen, Cardenio, wirst du abreisen, um den Willen des Herzogs zu erfüllen, und danke dem Himmel, daß sich dir so ein Weg eröffnet, auf dem deine Verdienste ihren schönsten Lohn erhalten können‹; diesen Worten fügte mein Vater noch andere väterliche Ermahnungen hinzu. Die Zeit meiner Abreise näherte sich, in einer Nacht sprach ich Lucinden, erzählte ihr, was vorgefallen sei, ging dann zu ihrem Vater und bat einige Zeit zu warten und auf keine Partie für sie zu denken, bis ich gesehen hätte, was Ricardo mit mir vorhabe; er versprach es, und sie bestätigte sich mir mit tausend Schwüren und heißen Tränen.
Ich kam beim Herzog Ricardo an, er empfing mich so gnädig und freundschaftlich, daß dies sogleich den Neid seiner älteren Diener in Bewegung setzte, weil sie meinten, die Gunstbezeugungen, die der Herzog mir bewies, könnten ihnen zum Nachteile gereichen; wer mir aber vor allen mit Freundschaft entgegenkam, war der zweite Sohn des Herzogs, Fernando, ein schöner, feuriger Jüngling, großmütig und verliebt, der mich in kurzer Zeit so sehr zu seinem Freunde machte, daß sich alle darüber verwunderten, und ob mir gleich der ältere Sohn auch sehr günstig war, so war dies doch nicht mit dem Enthusiasmus zu vergleichen, mit dem mich Don Fernando liebte. Wie es nun unter wahren Freunden kein Geheimnis gibt, das sie sich nicht mitteilten, so wurde ich auch so sehr Don Fernandos Vertrauter, daß ich alle seine Gedanken erfuhr, vorzüglich eine Liebschaft, die ihm nicht wenig Unruhe verursachte. Er liebte nämlich ein Landmädchen, eine Vasallin seines Vaters, die so schön, eingezogen, verständig und tugendhaft war, daß man schwer bestimmen konnte, welche von diesen Eigenschaften in ihr die vorzüglichsten wären. Diese Vorzüge des schönen Landmädchens führten die Leidenschaften Don Fernandos so weit, daß er, um ihre ganze Gunst und Liebe völlig zu besitzen, ihr versprach, ihr Gemahl zu werden, weil sie sich ihm auf keine andere Weise ergeben wollte. Ich versuchte es als Freund, ihn mit den dringendsten Gründen und überzeugendsten Wahrheiten von diesem Vorsatze zurückzubringen; da ich aber sah, wie unnütz meine Bemühungen waren, nahm ich mir vor, die Sache seinem Vater, dem Herzog Ricardo, zu entdecken. Don Fernando aber, der schlau und klug war, argwöhnte und fürchtete dies, weil er wohl einsehen konnte, daß ich in meiner Lage als sein redlicher Diener gezwungen sei, eine Sache zu entdecken, die dem herzoglichen Hause so nachteilig werden konnte. Um mich also zu hintergehen, sagte er mir, daß er kein besseres Mittel wüßte, aus seinem Gedächtnisse das Bild jener Schönheit, die sich seiner so gänzlich bemächtigt hatte, zu
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