Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
einer der vollkommensten irrenden Ritter war. Nein, unrecht ist es zu sagen, einer; er war von allen der vornehmste, ja der einzige, der König von allen, die der Lauf der Zeiten seitdem hervorgebracht. Schlimm möchte es dem Don Belianis und allen denen bekommen, die da meinen, daß sie sich ihm in irgendwas vergleichen dürfen, denn ich schwöre, daß sie darinnen irren. Ich behaupte, daß ein Maler, der in seiner Kunst berühmt werden will, die Originale der vorzüglichsten Maler, die er kennt, nachahmen muß. Dieses Gesetz erstreckt sich auf alle Künste und Gewerbe, die zur Zierde der Staaten dienen. So soll und wird auch der handeln, der den Ruhm eines Klugen und Duldenden erwerben will, indem er dem Ulysses nachahmt, in dessen Taten und Leiden uns Homerus ein lebendiges Bildnis von Klugheit und Duldung malt, sowie uns auch Virgilius in seinem Helden Äneas die Tugend eines frommen Sohnes und den Scharfsinn eines tapferen und verständigen Feldherrn zeigt, indem sie sie uns nicht malen oder darstellen wie sie waren, sondern wie sie sein sollten, um den zukünftigen Menschen ein Musterbild ihrer Tugenden vorzuhalten. Auf gleiche Weise ist Amadis den tapferen und verliebten Rittern zum Kompaß, Leitstern, zur Sonne gesetzt, damit wir ihm alle nachahmen sollen, die wir zu den Fahnen der Liebe und der Ritterschaft geschworen haben. Wenn dies nun alles Wahrheit ist, so leuchtet es mir ein, Freund Sancho, daß der irrende Ritter, der ihm am nächsten kommt, auch dem Kranze und Ruhme eines vollendeten Ritters am nächsten steht; ein Ding aber, in welchem dieser Ritter vorzüglich seine Klugheit, seine Würde, sein Dulden, seine Standhaftigkeit und Liebe bewies, war, wie er sich entfernte, von der Dame Oriana verschmäht, um auf dem Felsen Armut Buße zu tun, als er seinen Namen in Dunkelschön veränderte, ein wahrlich bedeutender Name, der sich zu der Lebensweise schickte, die er sich vorgesagt hatte. Es ist mir nur viel leichter, ihm hierin nachzuahmen, als darin, daß ich Riesen zerspalte, Drachen köpfe, Schlangen erdroßle, Armeen vernichte, Flotten aufreibe und Bezauberungen löse; da nun diese Örter sich so gut zu dergleichen Vornehmen schicken, so will ich auch diese Gelegenheit nicht aus den Händen lassen, die mir jetzt mit so großer Bequemlichkeit ihr Stirnhaar anbeut.«
»Vornehmlich«, sagte Sancho, »was wollt Ihr denn nun hier in der Einsamkeit tun?«
»Es ist dir ja schon gesagt«, antwortete Don Quixote, »daß ich den Amadis nachahmen will, einen Verzweifelten, Törichten und Wütigen vorstellen, um zugleich den gewaltigen Don Roldan in die Nachahmung zu ziehen, als er an einer Quelle die Zeichen fand, daß Angelika die Schöne mit dem Medor eine Schändlichkeit begangen habe, worüber er aus Verdruß rasend wurde, Bäume ausriß, die Gewässer der klaren Quellen trübte, Hirten erschlug, Herden zerriß, die Hürden verbrannte, die Häuser niederriß, das Vieh gebunden führte und tausend andere Tollheiten beging, die eines ewigen Andenkens in Büchern würdig sind. Will ich aber den Roldan, Orlando oder Rotolando (denn er führt alle drei Namen) nicht in allen seinen Rasereien nachahmen, so nehme ich mir doch vor, so gut ich kann, eine Auswahl unter denen, die mir die vorzüglichsten scheinen, zu veranstalten, vielleicht begnüge ich mich aber auch in der Nachahmung des Amadis, der keine schädlichen Rasereie beging, sondern sich mit Weinen und Klagen zufriedenstellte und dennoch den allerschönsten Ruhm errang.«
»Es scheint doch«, sagte Sancho, »daß die Ritter, die so was taten, dazu gereizt wurden, und eine Ursache hatten, diese Narrheit und Buße zu machen; aber was hat Euer Gnaden für Ursache, rasend zu werden? Welche Dame hat Euch verschmäht?
oder was für Zeichen habt Ihr gefunden, um zu wissen, daß die Dame Dulcinea von Toboso mit einem Mohren oder Christen Narrenpossen gemacht habe?«
»Da, da liegt’s eben«, antwortete Don Quixote, »und das ist gerade die Blume meiner Unternehmung: denn daß ein irrender Ritter aus Gründen rasend wird, darin zeigt sich sowenig Anstand als Talent; die Kunst liegt darin, ohne alle Ursache unsinnig zu werden, um dadurch seiner Dame zu verstehen zu geben, daß, wenn das am grünen Holze geschieht, wieviel mehr am dürren. Vollends da ich hinlänglich Ursache in der langen Abwesenheit von meiner ewig geliebten Dulcinea von Toboso finde, denn wie du den Schäfer von neulich, Ambrosius, sagen hörtest, daß, wer abwesend sei, alle Übel erleide
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