Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Tugend und Hoheit unbeschadet, die Qual lindern möchte, die um ihretwillen mein zerrissenes Herz erduldet, welche Freude sie meiner Pein geben könnte, welche Ruhe meiner Sorge, und kurz, welches Leben meinem Tode und welche Belohnung meinen Diensten. Und du, Sonne, die du schon im Begriffe bist, deine Rosse zu satteln, um in Eile heraufzufahren und meine Gebieterin zu sehen, wenn du sie siehst, so bitte ich dich, grüße sie von meinetwegen! Wenn du sie aber siehest und begrüßest, so hüte dich ja, ihr einen Kuß auf das Angesicht zu geben, denn ich werde eifersüchtiger auf dich sein, als du es nur jemals auf jene leichtfüßige Grausame warst, die dich so seufzen und laufen ließ in den thessalischen Ebenen oder an den Ufern des Peneus (denn ich erinnere mich jetzt gerade nicht, wo du damals liefest) in Liebe und Eifer entbrannt.«
So weit war Don Quixote in seiner Trauerklage gekommen, als die Tochter der Wirtin ihn durch ein St! St! herbeirief und sagte: »Gnädiger Herr, wenn es Euch gefällig ist, so kommt doch hier heran.«
Auf diese Anrede wandte Don Quixote das Haupt und sah beim Scheine des Mondes, der in voller Klarheit glänzte, wie man ihn aus der Luke rufe, die ihm ein Fenster schien und selbst mit vergoldetem Gitter, so wie es einem reichen Kastelle zukommt, wofür er die Schenke ansah, und sogleich stellte er sich in seiner törichten Einbildung vor, daß gerade wie das vorige Mal die schöne Jungfrau, die Tochter der Gebieterin im Kastell, von Liebe zu ihm besiegt, ihm Anträge mache, und in diesen Gedanken, um nicht für unhöflich und undankbar zu gelten, wandte er den Rosinante herum und näherte sich der Luke; und sowie er die beiden Mädchen gewahr wurde, sprach er: »Ich beklage Euch, schöne Dame, daß Ihr Eure verliebten Gedanken dahin wendet, wo Ihr niemals eine Erwiderung finden könnt, wie sie Euer hoher Wert und Eure Lieblichkeit verdienen, weshalb Ihr aber nicht diesen elenden irrenden Ritter beschuldigen müßt, dem es die Liebe unmöglich macht, seinen Willen auf eine andere zu richten, als auf diejenige, die, sowie sie seine Augen erblickten, die unumschränkte Herrscherin seiner Seele wurde. Verzeiht mir, edle Dame, und begebt Euch in Euer Gemach zurück, wollt mir auch nicht öfter Eure Wünsche zu erkennen geben, damit ich mich nicht öfter als einen Undankbaren zu zeigen nötig habe; doch wenn die Liebe, die Ihr zu mir tragt, Euch irgend etwas anderes nennt, worin ich Euch Genüge leisten mag, wenn es nicht eben diese Liebe ist, so mögt Ihr es fordern, und ich schwöre Euch bei meiner abwesenden süßesten Freundin, Euch solches alsobald zu bewilligen, und wenn Ihr sogar eine Locke aus den Haaren der Medusa verlangtet, die lauter Schlangen waren, oder selbst die Strahlen der Sonne, in einer Flasche eingesperrt.«
»Davon hat meine Dame nichts nötig«, sagte die Maritorne hierauf.
»Aber was hat Eure Dame denn nötig, verständige Dueña?« fragte Don Quixote.
»Nur eine von Euren schönen Händen«, sagte Maritorne, »um an ihr die Liebe zu sättigen, die sie zu dieser Luke auf die gänzliche Gefahr ihrer Ehre geführt hat; denn wenn es ihr Herr Vater merkte, so würde er ihr zum wenigsten die Ohren abreißen.«
»Nun, dieses möchte ich doch wohl schauen«, antwortete Don Quixote; »er möchte sich dessen ja enthalten, wenn er nicht das allerschrecklichste Ende nehmen wollte, welches ein Vater noch auf der Welt genommen hat, so die Hand an die zarten Glieder seiner verliebten Tochter gelegt zu haben.«
Maritorne glaubte, daß Don Quixote gewiß die verlangte Hand reichen würde, und da sie sich schon in Gedanken vorgenommen hatte, was sie tun wollte, ging sie vom Boden nach dem Stall hinunter, wo sie den Strick vom Esel des Sancho Pansa nahm und schnell zur Luke zurückkam, als sich Don Quixote eben mit den Füßen auf den Sattel des Rosinante gestellt hatte, um das Gitterfenster zu erreichen, wo er meinte, daß sich die verwundete Jungfrau befand, und indem er die Hand hinreichte, sagte er: »Nehmt, Señora, diese Hand, oder richtiger zu sprechen, diese Geißel aller Bösewichter, nehmt diese Hand, sage ich, die noch kein Weib gefaßt hat, selbst jene nicht, der mein ganzer Körper eigentümlich zusteht; ich reiche sie Euch nicht, damit Ihr sie küßt, sondern daß Ihr das Gewebe ihrer Sehnen betrachten mögt, die Festigkeit der Muskeln, die Kräftigkeit und Stärke ihrer Adern, woraus Ihr alsdann abnehmen mögt, wie groß die Stärke des Armes sein müsse, dem
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