Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Quixotes scheinbar oder wahrhaft sei. Er erzählte daher nach und nach einige Neuigkeiten, die vom Hofe gekommen waren, und sagte unter anderen: daß man für gewiß wisse, wie der Türke mit einer mächtigen Flotte ausgelaufen sei und daß man seine Absicht nicht kenne, noch auf welches Land dies Ungewitter niederfallen werde; diese Furcht, die uns fast in jedem Jahre alarmiere, habe die Aufmerksamkeit der ganzen Christenheit erregt, und Seine Majestät habe den Befehl gegeben, die Küsten von Neapel und Sizilien sowie die Insel Malta zu bewachen.
Hierauf antwortete Don Quixote: »Seine Majestät handelt hierin wie ein vorsichtiger Kriegsmann, indem er beizeiten für seine Staaten sorgt, damit sie nicht unvermutet vom Feinde angegriffen werden; wollte er aber meinem Rate folgen, so wollte ich ihm raten, sich einer Maßregel zu bedienen, deren Vorstellung vielleicht zur Stunde sehr weit von den Gedanken Seiner Majestät entfernt liegt.«
Kaum hörte dies der Pfarrer, als er bei sich selber sagte: »Behüte dich Gott, du armer Don Quixote, denn nun stürzest du gewiß von dem höchsten Gipfel deiner Narrheit in den tiefsten Abgrund deiner Einfalt hinunter!« Der Barbier aber, der auch auf den Gedanken des Pfarrers gefallen war, fragte Don Quixote, was denn das für eine Maßregel sei, von welcher er behaupte, daß sie so trefflich wirken müsse; sie sei vielleicht von der Art, daß man sie auf die Liste der unbesonnenen Ratschläge schreiben müsse, die den Fürsten so häufig gegeben werden.
»Der meinige, Herr Bartscherer«, sprach Don Quixote, »wird nicht unbesonnen, sondern äußerst besonnen sein.«
»Ich sage es nicht deshalb«, versetzte der Barbier, »sondern weil die Erfahrung gezeigt hat, daß alle oder doch die meisten Pläne, die man Seiner Majestät überreicht, entweder unmöglich sind oder unklug oder zum Nachteil des Königs oder des Reichs.«
»Der meinige«, antwortete Don Quixote, »ist weder unmöglich noch unklug, sondern der leichteste, passendste und kürzeste, auf den nur immer ein Ratgeber fallen könnte.«
»Ihr zögert noch immer, Herr Don Quixote, ihn uns mitzuteilen«, sagte der Pfarrer.
»Es wäre mir unlieb«, sagte Don Quixote, »wenn ich ihn jetzt mitteilte und er morgen schon zu den Ohren der Herren Räte gelangte, und so ein anderer den Dank und Lohn meiner Arbeit davontrüge.«
»Für meine Person«, sagte der Barbier, »gebe ich hier und vor Gott mein Wort, das, was der gnädige Herr sagen wird, weder dem Könige noch dem Turm noch irgendeinem sterblichen Menschen wiederzusagen: ein Schwur, den ich aus der Romanze des Pfarrers gelernt habe, der gleich im Anfange dem Könige von dem Räuber Nachricht gibt, der ihm die zweihundert Dublonen und sein flüchtiges Maultier gestohlen hat.«
»Ich kenne die Märchen nicht«, sagte Don Quixote, »aber das weiß ich, daß dieser Schwur gut ist, woraus ich abnehme, daß der Herr Barbier ein zuverlässiger Mann ist.«
»Und wenn er es nicht wäre«, sagte der Pfarrer, »so stelle ich mich für ihn und verbürge mich, daß er in diesem Falle nicht mehr als ein Stummer sprechen wird, bei Strafe, Prozeß und Unkosten zu verlieren.«
»Und wer verbürgt sich für Euch, Herr Pfarrer«, fragte Don Quixote.
»Mein Amt«, antwortete der Pfarrer, »welches von mir Geheimnisse zu bewahren heischt.«
»Nun, beim Himmel!« rief jetzt Don Quixote aus, »was kann Seine Majestät anders tun, als durch einen öffentlichen Herold ausrufen lassen, daß sich an einem bestimmten Tage alle irrenden Ritter, die durch Spanien streifen, am Hofe versammeln sollen? Wenn dann auch nicht mehr als ein halbes Dutzend erscheinen, so möchte doch wohl ein solcher unter ihnen sein, der für sich allein hinreichte, die gesamte türkische Macht zu vernichten. Hört mir jetzt aufmerksam zu, meine Herren, damit ihr mir folgen könnt. Ist es denn vielleicht etwas Unerhörtes, daß ein einzelner irrender Ritter eine Armee von zweimalhunderttausend Mann niederschlägt, als wenn sie alle nur einen Hals hätten oder aus Marzipan gebacken wären? Sagt nur selbst, wie viele Geschichten sind nicht voll von dergleichen Wunderwerken? Ich wünschte wahrhaftig nur das einzige (und das ist noch nichts so Besonderes), daß nur heutzutage der berühmte Don Belianis lebte oder einer von der unzähligen Nachkommenschaft des Amadis von Gallia; denn wenn einer von diesen heutzutage lebte und sich dem Türken gegenüberstellte, so möchte ich in dessen Haut nicht stecken. Jedoch, Gott
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