Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ihre Gunst zu nehmen, wodurch ich mich reicher und glücklicher achte, als wenn Fortuna mich auf dem gewöhnlichen Wege auf den höchsten Gipfel gestellt hätte. Die Ehre kann beim Armen, niemals beim Lasterhaften wohnen: die Armut kann den adeligen Sinn beschatten, aber nicht gänzlich verdunkeln. Wie aber die Tugend einiges Licht von sich strahlt, wenn sie es auch durch die Nebel und Finsternisse der Armut wirft, so wird sie folglich auch von hohen und edlen Geistern geachtet und auch begünstigt. Mehr sollst du ihm nicht sagen, und auch dir will ich nichts weiter hinzufügen, als daß du bedenken magst, daß dieser zweite Teil des Don Quixote, den ich dir jetzt übergebe, von dem nämlichen Künstler und aus dem nämlichen Zeuge, wie der erste, gearbeitet sei, und ich dir hiermit den Don Quixote übergebe, vermehrt und endlich tot und begraben, damit keiner es auf sich nehme, neue Zeugnisse seinetwegen beizubringen. Denn es ist an den bisherigen genug, sowie es auch genug ist, wenn von diesen angenehmen Torheiten ein verständiger Mann Nachricht gegeben hat, der aber nicht Lust hat, sich von neuem ihrer Darstellung zu widmen: denn es geschieht wohl, daß die Sachen, die in Menge da sind, wenn auch sonst vortrefflich, nicht geachtet werden, so wie die Seltenheit den Schlechten oft eine Art von Achtung erwirkt. Noch vergaß ich dir zu sagen, daß du den Persiles erwarten darfst, den ich jetzt vollendet, sowie den zweiten Teil der Galatea.
1. Kapitel
Wie es dem Pfarrer und Barbier mit Don Quixote hinsichtlich seiner Krankheit erging.
Cide Hamete Benengeli erzählt im zweiten Teile dieser Historie und im dritten Auszuge des Don Quixote, daß der Pfarrer und Barbier beinahe einen Monat vorübergehen ließen, ohne ihn zu sehen, um ihm nicht vergangene Dinge zu erneuern und in sein Gedächtnis zurückzurufen. Dessenungeachtet aber besuchten sie Nichte und Haushälterin oftmals und ermahnten sie, für seine Pflege Sorge zu tragen, ihm auch stärkende Sachen zu essen zu geben, die Herz und Gehirn erfrischen, aus welchem nach reiflicher Überlegung sein ganzes böses Geschick entstanden sei. Diese antworteten, daß sie dies nicht unterließen, es auch mit Freuden täten und alle Sorgfalt auf ihn wendeten, auch würden sie gewahr, daß ihr Herr in einzelnen Augenblicken Beweise gäbe, daß er sich bei vollkommenem Verstande befinde. Die beiden waren über diese Nachricht sehr erfreut, weil sie meinten, sie hätten es damit durchgesetzt, daß sie ihn verzaubert auf dem Ochsenkarren fortgeführt hatten, wie es im ersten Teil dieser ebenso großen als genauen Historie im letzten Kapitel erzählt wurde. Sie nahmen sich also vor, ihn zu besuchen und eine Probe über seine Besserung anzustellen, ob sie sie gleich für ein fast unmögliches Ereignis hielten; sie beredeten sich aber, nichts zu berühren, was die irrende Ritterschaft beträfe, um nicht aus Unvorsichtigkeit die Wunden wieder aufzureißen, die noch kaum geheilt waren.
Sie besuchten ihn also und fanden ihn auf dem Bette sitzen, mit einem Kamisol von grünem Tuche bekleidet und mit einer roten Mütze auf dem Kopfe; er war so mager und abgefallen, daß er nichts als Haut und Knochen schien. Sie wurden sehr freundlich von ihm aufgenommen, und da sie sich nach seinem Befinden erkundigten, gab er darüber und über sich mit vielem Verstande und in den zierlichsten Ausdrücken befriedigende Nachricht. Im Verlaufe des Gespräches kamen sie dann auf die Staatsverfassungen und auf Regierungsarten, wobei sie diesen Mißbrauch verbesserten, jenen abstellten, eine Sitte änderten, eine andere gänzlich verbannten; so daß ein jeder von den dreien sich zu einem neuen Gesetzgeber aufwarf und einen neuen Lykurgus oder modernen Solon vorstellte; und auf diese Weise arbeiteten sie den Staat so um, daß es nichts anders war, als wenn sie ihn auf einen Amboß gelegt und einen anderen als den vorigen abgenommen hätten. Don Quixote sprach hierbei über alle dazugehörigen Materien mit so vielem Verstande, daß die beiden Untersuchenden fest überzeugt wurden, er sei völlig hergestellt und habe seine Vernunft gänzlich wiedererlangt. Bei dieser Unterhaltung waren die Nichte und Haushälterin zugegen, und sie wurden nicht müde, Gott dafür zu preisen, daß sie ihren Herrn von so richtigen Einsichten fanden. Der Pfarrer aber änderte seinen ersten Vorsatz, nämlich nichts zu berühren, was die Ritterschaft betreffe, weil er die Probe vollständig machen wollte, ob die Herstellung Don
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