Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Hadrian diente ein Kastell zum Begräbnis, so groß als eine Stadt, welches sie Moles Hadriani hießen, und welches jetzt das Kastell San Angelo in Rom ist. Die Königin Artemisia begrub ihren Gemahl Mausolus in einem Grabmal, welches zu den sieben Wunderwerken der Welt gehörte; aber keins von diesen Grabmälern, nebst vielen anderen, welche die Heiden besaßen, sind mit Totengewändern noch mit anderen Geschenken geschmückt worden, woraus man zu erkennen pflegt, daß Heilige an dergleichen Orten begraben liegen.«
»Da wollte ich eben hinaus«, versetzte Sancho; »nun sagt mir noch, was ist mehr, einen Toten auferwecken oder einen Riesen umbringen?«
»Die Antwort gibt sich von selbst«, antwortete Don Quixote; »es ist mehr, einen Toten auferwecken.«
»Gefangen!« sagte Sancho; »der Ruhm dessen, der Tote auferweckt, Blinde sehend macht, Krüppel gerade und Kranke gesund macht, und vor dessen Grabmal Lampen brennen, und dessen Kapelle mit frommen Leuten angefüllt ist, die seine Reliquien auf den Knien verehren, ein solcher hat in dieser und in der künftigen Zeit einen besseren Ruhm, als alle möglichen heidnischen Kaiser zurückgelassen haben und zurücklassen werden, nebst allen irrenden Rittern, die auf Erden gelebt haben.«
»Ich gebe zu, daß dieses Wahrheit sei«, antwortete Don Quixote.
»Diesen Ruhm, diese Gnade, diese Vorzüge oder wie man es nennen will«, antwortete Sancho, »haben die Körper und Reliquien der Heiligen, die, mit Bewilligung und Erlaubnis unserer heiligen Mutter Kirche, Lampen haben, Kerzen, Totengewänder, Zähne, Gemälde, Haarlocken, Augen, Beine, womit die Frömmigkeit sowohl wie ihr christlicher Ruhm vermehrt wird. Die Körper der Heiligen oder ihre Reliquien tragen die Könige auf den Schultern; sie küssen Stückchen von ihren Gebeinen; sie schmücken und zieren mit ihnen ihre Kapellen und ihre herrlichsten Altäre.«
»Was soll nun aus allem dem, Sancho, was du gesagt hast, folgen?« fragte Don Quixote.
»Ich will so viel sagen«, sprach Sancho, »daß wir uns drangeben wollen, Heilige zu werden, und wir werden so am kürzesten den guten Ruhm erlangen, den wir haben wollen. Merkt nur, gnädiger Herr, gestern oder vorgestern (es ist gar nicht lange her, und darum mag ich wohl so sprechen) sprachen sie zwei Brüder Barfüßer heilig oder selig, deren eiserne Ketten, womit sie sich umgürteten und ihren Körper marterten, zu küssen und anzurühren jetzt für das allerhöchste Glück gehalten wird, diese werden mehr verehrt, als es je mit dem Schwerte des Roldan geschieht, welches in dem Zeughause unseres allergnädigsten Königs steht, den Gott beschützen möge. Also, gnädiger Herr, ist es besser, ein demütiger Mönch zu sein, von welchem Orden es auch sein mag, als ein tapferer und irrender Ritter; Gott gefallen zwei Dutzend Geißelhiebe mehr als zweitausend Lanzenstöße, mögen sie nun gegen Riesen oder Drachen oder Gespenster gerichtet sein.«
»Das ist alles wahr«, antwortete Don Quixote; »wir können aber nicht alle Ordensbrüder sein, und der Wege sind mancherlei, auf welchen Gott die Seinigen zum Himmel führt. Ritterschaft ist auch ein Orden, und auch heilige Ritter sind dort in der Herrlichkeit.«
»Ja«, antwortete Sancho; »aber ich habe doch sagen hören, daß es mehr Mönche als irrende Ritter im Himmel gibt.«
»Das ist«, antwortete Don Quixote, »weil die Anzahl der Religiösen größer ist als die der Ritter.«
»Doch gibt es viele irrende«, sagte Sancho.
»Viele«, antwortete Don Quixote; »aber wenige, die den Namen der Ritter verdienen.«
Unter diesen und anderen ähnlichen Gesprächen verstrich diese Nacht und auch der folgende Tag, ohne daß ihnen etwas begegnete, das sich erzählen ließe, worüber Don Quixote sehr verdrießlich ward. Endlich am anderen Tage, als es gegen Abend war, entdeckten sie die große Stadt Toboso, bei deren Anblick sich Don Quixotes Lebensgeister ermunterten, die des Sancho aber in Betrübnis fielen, weil er das Haus der Dulcinea nicht wußte, sie auch in seinem Leben nicht gesehen hatte, wie sie auch sein Herr niemals gesehen hatte, so daß der eine, um sie zu sehen, der andere, weil er sie nie gesehen, beide in großer Verwirrung waren, und Sancho durchaus nichts anzufangen wußte, wenn ihn sein Herr nun nach Toboso hineinschicken sollte. Endlich beschloß Don Quixote, sich nur mit Anbruch der Nacht in die Stadt zu begeben. Während der Zeit hielten sie unter einigen Eichen still, die sich bei Toboso
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