Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Spitze befindet, von wo der Kaiser eben das Gebäude beschaute und sich ihm zur Seite ein römischer Ritter befand, der ihm die Schönheit und Trefflichkeit dieses großen Baues und der herrlichen Architektur erklärte. Als sie nun von der Öffnung heruntergestiegen waren, sagte dieser zum Kaiser: ›Tausendmal, geheiligte Majestät, ist es mir in den Sinn gekommen, Eure Majestät zu umfassen und uns oben von der Öffnung herunterzustürzen, um mir in der Welt einen unsterblichen Namen zu machen.‹ ›Ich danke Euch‹, antwortete der Kaiser, ›daß Ihr diesen bösen Gedanken nicht in Ausübung gebracht habt, von nun an will ich Euch keine Gelegenheit weiter geben, Eure Treue von neuem auf die Probe zu stellen; ich befehle Euch also, niemals mit mir zu sprechen, noch Euch da aufzuhalten, wo ich sein werde.‹ Nachdem er dies gesprochen, machte er ihm eine tiefe Verbeugung. Damit will ich nur so viel sagen, Sancho, daß der Wunsch, sich berühmt zu machen, auf eine gewaltige Weise wirkt. Was meinst du, bewog jenen Horatius, sich mit allen seinen Waffen geharnischt von der Brücke herunter in den tiefen Strom der Tiber zu stürzen? Was ließ den Mucius sich den Arm und die Hand verbrennen? Was trieb den Curtius, in den flammenden Abgrund hineinzuspringen, der sich mitten in Rom auftat? Was bewog, allen Vorbedeutungen, die sich feindlich erwiesen, zum Trotz, den Cäsar, über den Rubikon zu schreiten? Und, um neuere Beispiele zu geben, was versenkte die Schiffe, so daß jene tapferen Spanier verlassen und abgeschnitten wurden, die der unvergleichliche Cortez in die neue Welt geführt hatte? Alle diese, nebst anderen großen und sehr verschiedenen Taten, sind, waren und werden ein Werk des Ruhmes sein, welchen die Sterblichen als Belohnung und als einen Teil der Unsterblichkeit wünschen, die ihre großen Taten verdienen, obgleich die christlich-katholischen und irrenden Ritter mehr nach der Glorie jener zukünftigen Zeit zu trachten haben, die in den ätherischen und himmlischen Wohnungen ewiglich währt, als nach jener Eitelkeit des Ruhmes, der in dieser gegenwärtigen endlichen Zeit zu erlangen steht, welcher Ruhm, wenn er auch noch so lange dauert, doch endlich mit dieser Welt vergehen muß, welche ihr bestimmtes Ende erreicht. Also, o Sancho, müssen unsere Taten niemals die Grenze überschreiten, die uns die christliche Religion vorgezeichnet hat, zu welcher wir uns bekennen. In den Riesen müssen wir den Übermut niederkämpfen, den Neid in der Großmut einer edlen Brust, den Zorn durch sanftes Betragen und Seelenruhe, Gierigkeit und Schläfrigkeit durch das wenige Essen, das wir genießen und durch das viele Wachen, das wir üben, Ausgelassenheit und Wollust in der Treue, die wir denjenigen bewahren, die wir zu Damen unserer Gedanken erwählt haben, die Trägheit dadurch, daß wir durch alle Teile der Welt reisen, um die Gelegenheiten aufzusuchen, die uns außer christlichen auch zu berühmten Rittern machen können. Diese, Sancho, sind die Mittel, um die höchste Lobpreisung zu erlangen, die ein guter Name nur immer mit sich bringen kann.«
»Alles, was Ihr bisher gesagt habt«, sprach Sancho, »habe ich sehr gut verstanden; nun möchte ich aber wohl, daß Ihr mir noch einen Schuhrubel auflöstet, der mir soeben durch die Gedanken gekommen ist.«
»Skrupel willst du sagen, Sancho«, sprach Don Quixote; »sag’s in Gottes Namen, denn ich will dir alles antworten, was ich nur irgend weiß.«
»So sagt mir denn, gnädiger Herr«, fuhr Sancho fort, »diese Julier oder Auguster nebst allen den tatenreichen Rittern, die Ihr genannt habt und die schon tot sind, wo befinden sie sich jetzt?«
»Die Heiden«, antwortete Don Quixote, »sind ohne Zweifel in der Hölle, die Christen aber, wenn sie gute Christen waren, sind entweder im Fegefeuer oder im Himmel.«
»Nun gut«, sagte Sancho, »nun wollen wir nur das untersuchen; haben die Grabstätten, wo die Leichen dieser weltberühmten Menschen liegen, brennende Lampen von Silber, oder sind die Wände ihrer Kapellen mit Zähnen ausgeschmückt, mit Totengewändern, mit Haarlocken, mit Beinen und Augen von Wachs? Und wenn das nicht ist, womit sind sie denn ausgeschmückt?«
Worauf Don Quixote antwortete: »Die Grabstätten der Heiden waren größtenteils prachtvolle Tempel. Die Asche vom Leichnam des Julius Cäsar wurde unter einer Pyramide begraben, die aus einem ungeheuren Steine bestand, und die man heutigestags in Rom Sankt-Petri-Spitzsäule nennt. Dem Kaiser
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