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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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ihm die Ärmel in lauter Fetzen. Zweimal warf er ihm den Hut herunter und ermüdete ihn so sehr, daß jener aus Verdruß, Zorn und Wut den Degen bei dem Griffe faßte und ihn mit solcher Gewalt durch die Luft schleuderte, daß einer von den gegenwärtigen Bauern, der ein Schöppe war und ihn wieder holte, nachher als ein Zeugnis ausgesagt hat, daß er ihn beinahe dreiviertel Meilen weggeschmissen habe, welches Zeugnis dazu dient und gedient hat, um mit aller Wahrheit einzusehen, wie die Stärke von der Kunst überwunden wird.
    Corchuelo setzte sich ermüdet nieder, und Sancho ging zu ihm und sagte: »Bei meiner Seele, Herr Bakkalaureus, wenn Ihr meinem Rate folgen wollt, so fordert keinen wieder auf den Degen heraus, sondern auf Ringen oder auf Schleudern, denn dazu habt Ihr die Jahre und die Stärke; von diesen Fechtmeistern aber habe ich sagen hören, daß sie eine Degenspitze durch ein Nadelöhr fädeln können.«
    »Ich bin zufrieden«, antwortete Corchuelo, »daß ich aus meinem Irrtume gerissen bin, und daß die Erfahrung mich die Wahrheit gelehrt hat, von der ich so weit entfernt war.« Er stand auf und umarmte den Lizentiaten, und sie waren hierauf noch bessere Freunde als vorher. Man beschloß, nicht auf den Schöppen zu warten, der nach dem Degen gegangen war, weil sie glaubten, daß er zu lange ausbleiben würde; sie machten sich also auf den Weg, um noch zeitig in das Dorf der Quiteria einzutreffen, aus welchem sie alle waren. Auf dem übrigen Wege setzte der Lizentiat die Trefflichkeit der Fechtkunst auseinander und bewies sie mit so vielen Worten und so vielen mathematischen Demonstrationen, daß alle völlig von der Herrlichkeit dieser Wissenschaft überzeugt wurden und Corchuelo von seiner Halsstarrigkeit nachlassen mußte.
    Es war Nacht geworden; ehe sie aber das Dorf erreicht hatten, kam es allen vor, als wenn vor demselben ein Himmel voll unzähliger und glänzender Sterne wäre. Zugleich hörten sie vermischte und angenehme Töne von verschiedenen Instrumenten, als von Flöten, Handtrommeln, Harfen, Hoboen, Tamburins und Triangeln, und als sie näher kamen, sahen sie, daß an den Bäumen der Lauben, die man vor dem Dorfe aufgepflanzt hatte, viele brennende Lampen hingen, die der Wind nicht auslöschte; denn er wehte so gelinde, daß er nicht Kraft hatte, die Blätter an den Bäumen zu rühren. Die Musikanten, die zur Hochzeit bestellt waren, schwärmten in einzelnen Haufen auf dem lieblichen Raume, einige tanzend, andere singend, andere die verschiedenen genannten Instrumente spielend. Es war nicht anders, als wenn auf der ganzen Wiese die Fröhlichkeit hüpfte und das Vergnügen tanzte. Viele andere waren damit beschäftigt, Gerüste zu errichten, von wo man am folgenden Tage bequem die Vorstellungen und Tänze ansehen könne, die an diesem Orte aufgeführt werden sollten, der bestimmt war, die Hochzeit des reichen Camacho, wie die Totenfeier des Basilio zu begehen.
    Don Quixote wollte nicht in das Dorf hineingehen, ob ihn gleich der Bauer sowohl wie der Bakkalaureus darum baten; seine mehr als hinreichende Entschuldigung war: daß es Sitte der irrenden Ritter sei, lieber auf dem Felde und in Wäldern, als in Häusern zu schlafen, und wenn es dort selbst unter einem goldenen Dache geschehen könnte. Hiermit entfernte er sich vom Wege ein wenig, zum großen Verdrusse des Sancho, dem die treffliche Herberge wieder in die Gedanken kam, die er in dem Kastell oder Hause des Don Diego gefunden hatte.

20. Kapitel

    Enthält die Schilderung der Hochzeit Camachos des Reichen nebst der Geschichte Basilios des Armen.
    Kaum hatte die glänzende Aurora Gelegenheit gegeben, daß der leuchtende Phöbus mit der Hitze seiner brennenden Strahlen die flüssigen Perlen in ihren goldenen Haaren getrocknet hatte, als Don Quixote, alle Trägheit von seinen Gliedern schüttelnd, sich aufrichtete und seinen Stallmeister Sancho rief, der noch immer schnarchte. Als Don Quixote dieses sah, sprach er, bevor er ihn weckte: »O du Glücklicher vor allen, die nur auf dem Erdenrunde leben; denn ohne zu beneiden oder beneidet zu werden, schläfst du mit ruhiger Seele! Dich verfolgen so wenig Zauberer, als dich Bezauberungen ängstigen. Schlafe, sage ich noch einmal, und werde es noch hundertmal sagen; denn dich erhalten keine eifersüchtigen Gedanken auf deine Dame im beständigen Wachen; dich weckt kein Kummer auf, wie du Schulden bezahlen sollst, noch wie du auf den anderen Tag für dich und deine kleine, gequälte Familie

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