Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
herein, von denen keine unter vierzehn zu sein schien, während noch keine achtzehn Jahre erreicht hatte. Alle waren grün gekleidet, zum Teil die Haare aufgeflochten, teils fliegend, alle so golden, daß sie mit den Strahlen der Sonne wetteifern konnten. Sie trugen auf den Köpfen Kränze von Jasmin, Rosen, Amarant und Geisblatt geflochten. Sie wurden von einem ehrwürdigen Alten und einer Matrone angeführt, die aber leichter und lebendiger waren, als man von ihren Jahren erwarten konnte. Eine Sackpfeife ertönte, und mit Ehrbarkeit im Gesicht und in den Augen und Leichtigkeit in den Füßen zeigten sie sich als die besten Tänzerinnen von der Welt.
Nach ihnen kam ein künstlicher Tanz, von der Art, welche man die dramatische nennt. Er bestand aus acht Nymphen, die in zwei Gruppen geteilt waren. Die eine führte der Gott Kupido an, und die andere der Vorteil; jener war mit seinen Flügeln, Bogen, Köcher und Pfeilen geschmückt, dieser mit reichen und bunten Farben von Gold und Seide bekleidet. Die Nymphen, die dem Amor folgten, hatten auf den Schultern ein weißes Pergament, auf welchem mit großen Buchstaben ihre Namen geschrieben waren. Poesie war der Titel der ersten, die zweite hieß Witz, die dritte gutes Herkommen, die vierte Tapferkeit. Ebenso waren die bezeichnet, die dem Vorteil folgten. Freigebigkeit hieß der Titel der ersten, Geschenk die zweite, Schatz die dritte und die vierte ruhiger Besitz. Vor ihnen allen ging ein hölzernes Kastell her, welches vier Wilde zogen, die mit Efeu und grün gefärbtem Hanf bekleidet waren und sich so natürlich ausnahmen, daß sie den Sancho fast erschreckt hätten. Vorn auf dem Kastell und auf seinen vier Seiten stand geschrieben: Kastell des guten Betragens. Vier geschickte Spieler auf dem Tamburin und der Flöte begleiteten den Tanz. Kupido eröffnete das Ballett; er tanzte zweimal auf und ab, dann erhob er seine Augen und spannte den Bogen gegen eine Jungfrau zwischen den Zinnen des Kastells. Er sagte folgende Verse zu ihr:
»Ich bin der Gott, der da schaltet
Auf der Erd’ in hohen Lüften,
Der im tiefen Meere waltet,
Herrscht in unterird’schen Klüften,
So tief sich der Abgrund spaltet.
Was Furcht, hab’ ich nie gespüret,
Was ich will, wird ausgeführet,
Will ich selber, was unmöglich,
Alle Dinge, die nur möglich,
Mein Befehl, Gesetz regieret.«
Als er die Verse beendigt hatte, schoß er einen Pfeil nach der Höhe des Kastells und zog sich auf seinen Standort zurück. Sogleich trat der Vorteil hervor und machte zwei Wendungen auf und ab, worauf die Tamburins schwiegen und er sagte:
»Mächtiger ist meine Hand,
Aber Amor muß mich leiten:
Ich bin von dem besten Stand;
Was bewohnt der Erde Weiten,
Hat mich auch geehrt, gekannt.
Vorteil bin ich, und durch mich
Wirken wen’ge tugendlich,
Ohne mich wird keiner handeln,
Wie ich bin stets ohne Wandeln,
Nehm’ ich an zur Herrin dich.«
Der Vorteil zog sich zurück, und die Poesie trat hervor. Nachdem diese wie die übrigen ihre Wendungen gemacht hatte, richtete sie ihre Augen auf die Jungfrau des Kastells und sagte:
»In den süßen Sangesketten
Führt dich süße Poesei,
Will in Liedern süß dich betten,
Daß dein Lob erhoben sei
Stets in tausend von Sonetten.
Darf ich meinen Dienst dir geben,
Soll dein Glück in Tönen leben,
Neidend soll man es erblicken,
Ich will es so hoch entrücken,
Überm Monde soll es schweben.«
Die Poesie trat ab, und von der Gruppe des Vorteils kam die Freigebigkeit hervor und sagte, nachdem sie ihre Wendungen gemacht hatte:
»Man nennt wohl Freigebigkeit,
Was zum Äußersten nicht neiget,
Von Verschwendung sich so weit
Wie vom Gegenteil sich zeiget,
Fern von Mißgunst und von Neid.
Ich will, mehr dich zu verschönen,
Zur Verschwendung mich gewöhnen,
Fehler zwar, doch edler Mut,
Und der Liebende in Glut
Gibt gern alles, dich zu krönen.«
Ebenso traten alle Personen aus den Quadrillen auf und gingen wieder zurück; jede machte ihre Wendungen und sagte ihre Verse, von denen einige elegant, andere aber possierlich waren; Don Quixote behielt in seinem Gedächtnisse, welches sehr gut war, nur die obigen. Dann vermischten sich alle zum Tanze und verschlangen und verketteten sich alle auf eine reizende und freie Weise; und sooft Amor an dem Kastell vorüberkam, schoß er einen Pfeil nach der Höhe, der Vorteil aber zerwarf vergoldete Kugeln daran. Endlich, nachdem sie lange getanzt hatten, nahm der Vorteil eine große Börse, die mit Geld angefüllt zu sein schien, und schleuderte
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