Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
oder ihn drängte, zu erklären, auf welche Weise sein Affe wahrsage, weil es nur die Aussprüche des wahrsagenden Affen waren, so äffte er alle und füllte seinen Beutel. Sowie er in die Schenke trat, erkannte er Don Quixote und Sancho, wodurch es also leicht wurde, Don Quixote, Sancho Pansa und alle Anwesenden in Erstaunen zu setzen. Es wäre ihm aber teuer zu stehen gekommen, wenn Don Quixote den Hieb etwas niedriger geführt hätte, der dem Könige Marsilio den Kopf herunterschlug und seine ganze Reiterei zerstörte, wie es im vorigen Kapitel erzählt ist. Dieses war es, was ich vom Meister Peter und seinem Affen zu sagen hatte.
Ich wende mich wieder zu Don Quixote von la Mancha und erzähle, daß, nachdem er die Schenke verlassen hatte, er den Entschluß faßte, die Ufer des Ebro nebst den umliegenden Gegenden zu besuchen, ehe er sich nach der Stadt Saragossa begäbe, denn ihm bliebe noch Zeit genug bis zu den Tagen der Turniere übrig. In dieser Absicht verfolgte er seinen Weg, auf welchem er zwei Tage reiste, ohne daß ihm etwas begegnet wäre, welches verdiente, niedergeschrieben zu werden; am dritten Tage aber, als er einen Hügel hinaufritt, vernahm er einen großen Lärm von Trommeln, Trompeten und losgeschossenen Flinten. Er glaubte anfangs, daß ein Regiment Soldaten dort vorbeimarschiere, und um sie zu sehen, spornte er den Rosinante und ritt den Hügel hinauf. Als er auf der Spitze war, sah er unten am Fuße desselben nach seiner Rechnung mehr als zweihundert Menschen, mit verschiedenen Waffen gerüstet, wie mit Prügeln, Armbrüsten, Partisanen, Hellebarden und Spießen, einige auch mit Musketen, und viele mit Schildern. Er ritt den Hügel herunter und näherte sich der Schar, so daß er genau ihre Paniere und Fahnen sehen konnte, wobei er auf die Wappen achtete, die sie führten, vorzüglich auf eine Fahne oder Standarte von weißem Atlas, auf welcher ganz nach dem Leben ein kleiner Esel gemalt war, der den Kopf erhob, das Maul aufsperrte und die Zunge herausstreckte, in einer Stellung, als wenn er eben im Schreien begriffen sei. Rundherum waren mit großen Buchstaben diese beiden Verse geschrieben:
Umsonst schreit nicht im Holze
Der ein’ und andre Scholze.
Aus diesen Zeichen nahm Don Quixote ab, daß es die Leute aus dem Dorfe vom Eselgeschrei sein müßten; dies teilte er auch dem Sancho mit, indem er ihm erzählte, was er auf der Standarte gelesen habe. Er sagte ihm auch, daß derjenige, der ihnen zuerst von diesem Vorfalle Nachricht erteilt, darin unrecht habe, daß es zwei Richter gewesen seien, welche gebrällt hätten; denn nach den Versen der Standarte wären es zwei Schulzen gewesen.
Worauf Sancho Pansa antwortete: »Gnädiger Herr, das ist kein Beweis; denn die Richter, die damals gebrällt haben, können seitdem wohl Schulzen im Dorfe geworden sein, und daher mögen sie wohl beide Titel führen, da es vollends der Wahrheit der Geschichte keinen Eintrag tut, ob Schulzen oder Richter gebrällt haben, wenn sie überhaupt gebrällt haben; denn das Brällen schickt sich für einen Schulzen ebensogut wie für einen Richter.«
Sie erkannten hieraus, daß die aufgebrachte Dorfschaft ausgezogen sei, gegen eine andere zu streiten, die am meisten die Billigkeit und die Pflichten der guten Nachbarschaft verletzt hatte. Don Quixote ritt auf sie zu, zu großem Verdrusse des Sancho, den es niemals freute, sich in dergleichen Umständen zu befinden. Die Schar der Bewaffneten nahm ihn in ihrer Mitte auf, weil sie dachten, es sei einer, der zu ihrer Partei gehörte. Don Quixote erhob das Visier und ritt mit edlem und freiem Anstande bis nach der Eselstandarte; dort versammelten sich die Vornehmsten des Heeres um ihn her, ihn zu sehen, indem sie alle in jenes Erstaunen gerieten, welches gewöhnlich alle diejenigen befiel, die seiner zum erstenmal ansichtig wurden. Don Quixote, welcher sah, wie aufmerksam sie ihn beschauten, wollte, bevor einer sprach oder ihn etwas fragte, sich dieses Schweigen zunutze machen, brach daher das seinige, erhob die Stimme und sagte:
»Wackere Herren! Ich bitte euch, so sehr ich euch nur bitten kann, eine Rede nicht zu unterbrechen, die ich euch zu halten gedenke, bis ihr seht, daß sie euch unangenehm und lästig fällt, denn wenn dieses geschieht, so will ich beim kleinsten Zeichen, welches ihr mir gebt, meinen Mund versiegeln und ein Schloß an meine Zunge legen!«
Alle sagten ihm, er möchte reden, soviel es ihm beliebte, denn sie würden ihm mit Vergnügen
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