Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
Vom Netzwerk:
behalten.«
    Hierauf sagte der Statthalter zu dem Weibe: »Zeige doch, du tugendhafte Gewaltige, den Beutel her.« Sie gab ihn ihm sogleich, und der Statthalter wandte sich wieder zu dem Manne und sagte zu der Zwingenden und Nichtbezwungenen: »Mein Kind, hättet Ihr dieselbe Kraft und Tapferkeit, die Ihr gezeigt habt, den Beutel zu verteidigen, ja nur die Hälfte davon angewandt, Euren Leib zu beschützen, so hätte Euch die Gewalt des Herkules selber keine Gewalt tun können; geht mit Gott und laßt es Euch geraten sein, daß Euch keiner in dieser ganzen Insel findet und auch sechs Meilen in der Runde, bei Strafe von zweihundert Hieben; macht Euch gleich fort, Ihr Spitzbübin, freches und lügenhaftes Mensch.«
    Das Weib erschrak und ging kopfhängend und verdrießlich weg, der Statthalter aber sagte zum Manne: »Lieber Mann, geht in Gottes Namen mit Eurem Gelde nach Eurem Dorfe, und in Zukunft, wenn Ihr es nicht verlieren wollt, laßt es Euch nie wieder einfallen, euch mit irgend jemand zu ergötzen.«
    Der Mann dankte, so gut oder schlecht er konnte, und entfernte sich; die Umstehenden aber waren von neuem über die Einsichten und Urteile ihres neuen Statthalters erstaunt.
    In demselben Augenblick traten zwei Menschen vor Gericht, der eine wie ein Bauer gekleidet und der andere wie ein Schneider, denn er hatte eine Schere in der Hand, und der Schneider sagte: »Herr Statthalter, ich und dieser Bauersmann treten vor Euer Gnaden, aus der Ursache, daß dieser gute Mann gestern in meinen Laden kam, denn ich bin mit der gütigen Erlaubnis aller Anwesenden, Gott sei Lob und Dank, ein Schneidermeister; er gab mir ein Stück Tuch in die Hände und fragte mich: ›Mein Herr, ist dieses Tuch wohl hinreichend, mir eine Mütze daraus zu machen?‹ Ich befühlte das Tuch und antwortete ›Ja‹; er mußte wohl denken, wie ich denke und mit Recht denke, daß ich ihm ohne Zweifel ein Stück von dem Tuche stehlen wolle, welcher Gedanke von seiner Bosheit und aus der schlechten Meinung herrührt, die man von den Schneidern hat. Er versetzte mir daher, ich möchte doch zusehen, ob es nicht für zwei genug wäre; ich erriet seine Gedanken und sagte ›Ja‹, und er, auf seine verfluchte Einbildung versessen, fügte noch mehr Mützen hinzu, und ich fügte meine Jas hinzu, bis wir endlich bei fünf Mützen stehenblieben, und da er nun jetzt gekommen ist, um sie abzuholen, und ich sie ihm ausliefere, will er mir das Macherlohn nicht bezahlen, sondern fordert, daß ich ihm sein Tuch wiedergeben oder es bezahlen soll.«
    »Ist dem so, Freund?« fragte Sancho.
    »Ja, gnädiger Herr«, antwortete der Mann; »aber laßt Euch doch einmal die fünf Mützen von ihm zeigen, die er mir gemacht hat.« »Sehr gern«, antwortete der Schneider, und zugleich nahm er die Hand unter dem Mantel hervor und zeigte fünf Mützchen, die er auf seinen fünf Fingerspitzen sitzen hatte, und sagte: »Hier sind die fünf Mützen, die dieser Mensch von mir gefordert hat, und bei Gott und meinem Gewissen, mir ist von dem Tuche nichts übriggeblieben, und ich bin erbötig, die Arbeit von den Gewerkmeistern besichtigen zu lassen.«
    Alle, die zugegen waren, lachten über die Menge der Mützen sowie über diesen seltsamen Prozeß. Sancho bedachte sich ein Weilchen und sagte dann: »Es scheint mir, daß bei diesem Prozesse keine weitläufige Untersuchung nötig sei, sondern man kann ihn sogleich nach dem gesunden Menschenverstande zu Ende bringen, und daher spreche ich dieses Urteil, daß der Schneider sein Macherlohn verliert und der Bauer sein Tuch, die Mützen aber sollen den Gefangenen im Kerker abgeliefert werden, und damit gut.«
    Wenn das vorige Urteil über den Geldbeutel des Hirten bei allen Gegenwärtigen Bewunderung erregte, so erregte dieses ihr Gelächter; es geschah aber doch, was der Statthalter befohlen hatte.
    Alles dieses, vom Chronikenschreiber aufgezeichnet, wurde schnell dem Herzoge geschickt, der es mit großer Sehnsucht erwartete; und nun wollen wir den wackeren Sancho lassen, denn sein Herr verlangt eilig nach uns, der über die Musik der Altisidora sehr aufgeregt ist.

46. Kapitel

    Von dem furchtbaren Schellen- und Katzenschreck, welchen Don Quixote im Verlaufe des Liebeshandels der verliebten Altisidora bekam.
    Wir ließen den großen Don Quixote in Gedanken versunken, die ihm die Musik der verliebten Jungfrau Altisidora verursacht hatte. Er legte sich mit ihnen nieder, und sie ließen ihn, als wenn sie Flöhe wären, nicht schlafen oder

Weitere Kostenlose Bücher