Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Stärke unseres Armes und mit den Schneiden unserer Schwerter, nicht von einem Dache bedeckt, sondern unter freiem Himmel, gänzlich den fast unleidigen Sonnenstrahlen im Sommer und dem erstarrenden Winterfroste bloßgestellt. So sind wir also Gottes Diener auf Erden, sein Arm, durch den er sein Recht ausübt. Wie nun Krieg und alles, was mit ihm zusammenhängt und ihn angeht, nicht ohne Schweiß und Beschwer und Arbeit in Ausübung gebracht werden kann, so folgt, daß denjenigen, welche sich diesem unterziehen, gewiß mehr Arbeit bevorsteht als jenen, die in Muße und friedlicher Ruhe zu Gott beten. Ich will damit nicht sagen, ja, ich hege nicht einmal diesen Gedanken, daß der Stand eines irrenden Ritters ebenso fromm sei wie der eines einsamen Mönches; sondern ich will nur die Behauptung durchsetzen, daß er arbeitseliger und beschwerlicher, hungriger und durstiger, elend, zerschlagen und lausicht sei, denn ich zweifele gar nicht, daß die irrenden Ritter nicht im Verlaufe ihres Lebens mancherlei Unglück erfahren haben sollten. Wenn es auch einigen gelang, sich durch die Tapferkeit ihres Armes zu Kaisern emporzuschwingen, so geschah es doch immer mit Aufwand von Blut und Schweiß; und wenn denen, die sich so hoch erhoben, nicht Zauberer und Weise beigestanden hätten, so möchten wohl alle ihre Wünsche unerfüllt geblieben sowie ihre schönsten Hoffnungen vereitelt sein.«
»Dieser Meinung bin ich auch«, erwiderte der Reisende, »jedoch hat mir unter vielen anderen ein Ding an den irrenden Rittern immer vorzüglich mißfallen. Wenn sie nämlich im Begriff sind, ein großes und gefährliches Abenteuer zu unternehmen, in welchem sie die augenscheinlichste Lebensgefahr erwartet, so wenden sie den Augenblick vorher nicht dazu an, sich Gott zu empfehlen, wie es doch jedem guten Christen zusteht, ehe er dergleichen Gefahren unternimmt, sondern sie empfehlen sich ihrer Dame so ergeben und andächtig, als wenn diese ihr Gott wäre. Dies, dünkt mich, schmeckt etwas nach dem Heidentume.«
»Mein Herr«, antwortete Don Quixote, »dieses darf durchaus nicht anders sein und einem irrenden Ritter, der es anders anfinge, würde dergleichen übel ausgelegt werden; denn es ist einmal Gebrauch und Gewohnheit der irrenden Ritterschaft, daß der irrende Ritter, wenn er eine große Waffentat unternimmt, sich zu seiner Gebieterin kehrt, schmeichelnd und liebevoll die Augen auf sie heftet, als flehte er, daß sie ihn begünstigen, ihm helfen möge in dem zweifelhaften Kampfrennen, das er beginnt; ja auch wenn er sie nicht vor sich sieht, ist es seine Pflicht, einige Worte zwischen den Zähnen zu sagen und sich ihr von ganzem Herzen zu empfehlen, wovon auch unzählige Beispiele in den Historien aufgeführt werden. Damit aber muß man nicht glauben, daß eine Empfehlung an Gott gänzlich ausgeschlossen sei, wenn Zeit und Umstände es vergönnen, dürfen sie dergleichen immerhin im Verlaufe des Werkes verrichten.«
»Demungeachtet«, versetzte der Reisende, »habe ich darüber einen Skrupel. Denn ich habe oftmals gelesen, wie zwei irrende Ritter sich besprechen, von einer und der anderen Seite der Zorn entbrennt, sie mit den Pferden umkehren, ein gut Stück Feldes zwischen sich nehmen und blitzschnell, hast du nicht, siehst du nicht, im vollen Karriere aufeinander losrennen und sich unterwegs ihren Damen empfehlen. Was sich dann gewöhnlich ergibt, ist, daß der eine hinter seinem Pferde niederstürzt, von der Lanze seines Gegners durchbohrt und der andere auch auf den Boden hinstürzen würde, wenn er sich nicht an den Mähnen festhielte. Nun begreife ich nicht, wie der Gestorbene Gelegenheit finden soll, sich im Verlaufe eines so übereilten Werkes Gott zu empfehlen. Es wäre doch besser, wenn er die Worte, mit denen er sich im Anrennen seiner Dame empfiehlt, dazu gebrauchte, wozu er als Christ eigentlich verpflichtet wäre. Da ich noch überdies glaube, daß nicht alle irrenden Ritter Damen haben, denen sie sich empfehlen können, denn nicht alle sind verliebt.«
»Das ist unmöglich«, antwortete Don Quixote.«Ich sage, es ist unmöglich, daß es einen irrenden Ritter ohne Dame geben könnte, denn ihnen ist es so eigen und natürlich, verliebt zu sein, als dem Himmel, Sterne zu haben; es ist zuverlässig, daß es keine Historie gibt, in der ein irrender Ritter ohne Liebe vorkäme, ja selbst, wenn es einen solchen geben sollte, so ist er kein rechtmäßiger Ritter, sondern für einen Bastard zu erkennen, der in die Burg der
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