Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
wie groß des Chrysostomus Liebe und Eure Freundschaft, sowie man hierin das Ziel erblickt, welches diejenigen erreichen, die mit losgelassenen Zügeln den Pfad hinunterrennen, zu dem sie die sinnlose Liebe führt. In der Nacht erfuhren wir den Tod des Chrysostomus und daß er hier begraben werden sollte, aus Neugier und Mitleid verließen wir unsere gerade Straße, um das mit Augen zu sehen, was uns im Anhören so innig bewegt hatte, und zur Vergeltung dieser Teilnahme und des herzlichsten Wunsches zu helfen, wenn es möglich wäre, bitten wir dich, edler Ambrosius, wenigstens bitte ich dich dringend darum, diese Papiere nicht zu verbrennen, sondern mir einige davon zu überlassen.«
Und ohne eine Antwort des Schäfers zu erwarten, streckte er die Hand aus und faßte einige, die ihm am nächsten lagen. Als dies Ambrosius sah, antwortete er: »Aus Freundschaft mögt Ihr die, edler Herr, behalten, die Ihr genommen habt, aber es ist vergeblich, wenn Ihr darauf besteht, daß die übrigen nicht verbrannt werden sollen.« Vivaldo, der gern sehen wollte, was die Papiere enthielten, schlug eins davon auf und sah die Überschrift: Gedicht eines Hoffnungslosen. Als Ambrosius das hörte, sagte er: »Dies ist das letzte, was der Unglückselige geschrieben hat, und damit ihr, mein Herr, fühlt, wie elend er war, so leset dies Gedicht laut, inzwischen können diese hier mit dem Grabe fertig werden.«
»Ich will es gern tun«, sagte Vivaldo; und da die Umstehenden denselben Wunsch hatten, so versammelten sie sich um ihn, und er las mit lauter Stimme folgendes Gedicht ab.
14. Kapitel
Enthält das Gedicht des hoffnungslosen Schäfers, nebst anderen unverhofften Begebenheiten.
Gedicht des Chrysostomus
Ich soll, du willst es, Schreckliche, verkünden,
Wie groß die Macht von deinem wilden Grimme,
Von Land zu Land, zu aller Menschen Zungen,
Zur Hölle selbst will ich die Wege finden,
Das Mitleid tönt von dort in meine Stimme,
Im Abgrund Trost zu suchen ist gelungen.
Mein wilder Wunsch hat mir es abgedrungen,
Mein Leiden, deine Taten zu besingen.
Die Töne sollen laut die Luft durchschneiden,
Zu tiefrer Qual in allen Eingeweiden,
Im armen Busen seufzend widerklingen.
So höre denn, und lausche meinen Tönen,
Kein sanftes Lied, ein Schmettern soll erdröhnen,
Sowie die Qual mir wühlt im innern Herzen,
Ein rascher Wahnsinn treibt heraus den Jammer,
Mir soll er Freude bringen, dir nur Schmerzen. –
Des wilden Wolfes schreckenvolles Ächzen,
Gebrüll des Löwen, gift’ger Schuppenschlangen
Entsetzliches Gezisch, du gräßlich Sausen
Von tausend Ungetüm, prophetisch Krächzen
Der Krähe, Sturm, wenn du die nassen Wangen
Der Fluten geißelst unter dumpfem Brausen:
Gegirr der Witwentauben in den Klausen,
Des Stiers Geröchel, den die Todeswunde
Zu eitlem Wüten ängstet, dumpf Gestöhne
Der gattenlosen Eule, Klagetöne
Von jeder Schar im unterird’schen Schlunde,
O klingt, und helft mir meine Klagen weinen,
Daß alle sich zu einem Ton vereinen,
In wilder Freundschaft durch die Lüfte brechen,
Ein würd’ger Ausdruck meines Schmerzes werden,
Denn er darf nur in neuen Weisen sprechen. –
Nie schallten noch so laute Klagen wider
Am weiten Strand, bespült von Tagus Wogen,
Wo Betis Wellen zwischen Blumen gleiten:
Doch tönten dort so viele Jammerlieder
Durch tiefe Höhlen, über Felsenbogen,
In unsrer Zeit, in längstentfloh’nen Zeiten:
Einsame, sichre Tale, o ihr weiten
Einöden, die kein Menschenfuß versehret;
Ihr unbesucht vom hellen Sonnenglanze,
Wo unter Urkraut nur die gift’ge Pflanze
Die Natter sich im feuchten Schatten nähret:
Du Widerhall in diesen Wüsteneien
Sollst auch mit mir in meinem Jammer schreien
Von ihrem unerhörten harten Sinne,
Daß ihn die ganze weite Welt erkundet
Wird mir statt längerm Leben zum Gewinne. –
Verachtung tötet, durch des Argwohns herben
Heimtück’schen Frost muß die Geduld erstarren,
Und scharfe Schwerter sind Verdacht und Höhnen:
Der Liebende muß an der Trennung sterben:
Nie wird die Hoffnung seiner jemals harren,
Wenn er sich einmal muß vergessen wähnen.
Hierin sind stets gespannt des Todes Sehnen;
Doch ich – o seltnes Wunder! – bleibe leben,
Verschmäht, verhöhnt, voll Argwohn, überführet
Von dem, wo sonst Verdacht wie Tod berühret;
Und im Vergessensein, des Flammen um mich weben
Und unter allen Martern läßt das Hoffen
Mir nach dem Lichte keine Spalte offen:
Verzweifelnd will ich nie die Hoffnung hören;
Und wenn mich nicht der Gram ermordet, will ich Stets
ohne
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