Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
du hörst, nicht verdrießen, denn es würde kein Ende nehmen, komme du nur mit einem guten Gewissen, und mögen sie doch reden, was sie immer reden wollen, denn wenn man den Verleumdern die Zunge binden wollte, das wäre ebensoviel, als ob man das freie Feld durch Tore zu verschließen trachtete. Kommt der Statthalter reich aus seiner Statthalterschaft, so sagen sie von ihm, daß er ein Schelm gewesen ist, kommt er arm zurück, so hat er den Handel nicht verstanden und ist ein Dummkopf.«
»So werden sie mich gewiß«, antwortete Sancho, »dieses Mal eher für einen Narren als für einen Schelm halten.«
Unter diesen Reden gelangten sie, von jungen und vielen anderen Leuten aus dem Schlosse umgeben, dahin, wo sich auf einer Galerie der Herzog und die Herzogin schon befanden, um den Don Quixote und Sancho zu erwarten, der nicht eher hinaufgehen wollte, um den Herzog zu sehen, bis er vorher dem Grauen Quartier gemacht hatte, denn er sagte, daß er in der Nachtherberge eine gar zu schlimme Nacht zugebracht habe. Dann ging er hinauf, um die gnädige Herrschaft zu sehen, vor der er niederkniete und sprach: »Ich, meine Gnädigen, weil es Eure Hoheit also wollte, ohne irgendein Verdienst meinerseits, ging hin, um Eure Insel Barataria zu regieren, in die ich nackt kam und noch nackt bin, weder gewonnen noch verloren habe. Ob ich gut regiert habe oder schlecht, darüber gibt es viele Zeugen, die sagen mögen, was ihnen gut dünkt. Ich habe verwickelte Sachen aufgeklärt, Prozesse entschieden, und bin immer vor Hunger gestorben, denn so wollte es der Doktor Pedro Recio, gebürtig aus Tirteafuera, der statthalterschaftliche Arzt auf der Insel. In der Nacht überfielen uns Feinde, und nachdem diese uns viel Drangsal angetan hatten, so sagten die von der Insel, sie wären befreit und hätten durch die Tapferkeit meines Armes den Sieg erfochten: Gott gebe ihnen Heil, wie sie die Wahrheit sprechen. Mit einem Wort, während dieser Zeit habe ich die Last erwogen, samt allen Pflichten, welche das Regieren mit sich führt, und ich habe es ausgerechnet, daß das meine Schultern nicht tragen können, daß das kein Gewicht ist für meinen Rücken, kein Pfeil für meinen Köcher. Damit also nicht die Statthalterschaft mit mir kopfüber machte, so habe ich lieber mit der Statthalterschaft kopfüber machen wollen und habe gestern früh die Insel so verlassen, wie ich sie gefunden, mit den nämlichen Straßen, Häusern, Dächern, die sie hatte, als ich hinkam. Ich habe von keinem was geborgt, auch ist mir sonst kein Gewinst zugefallen; ich hatte wohl den Vorsatz, etliche nützliche Verordnungen zu machen, aber ich habe es nicht getan, weil ich fürchtete, sie würden nicht gehalten werden, und dann kommt es auf eins hinaus, ob man sie macht oder nicht macht. Ich ging, wie gesagt, aus der Insel, ohne eine Begleitung, außer der von meinem Grauen; ich fiel in einen Graben, in diesem ging ich weiter, bis ich heute früh mit dem Lichte der Sonne den Ausgang sah; dieser ward mir aber nicht so leicht, denn hätte mir der Himmel nicht meinen gnädigen Herrn Don Quixote geschickt, so hätte ich bis an das Ende der Welt unten bleiben müssen. So, mein gnädigster Herzog und Herzogin, ist hier Euer Statthalter Sancho Pansa wieder, der nur das in den zehn Tagen gewonnen hat, in welchen er das Regiment führte, daß er einsieht, ihm läge nichts daran, Statthalter zu sein, nicht allein über eine Insel, sondern selbst über die ganze Welt. Und hiermit küsse ich Euer Gnaden die Füße und mache es wie im Spiele die Kinder, wenn sie sagen: verwechselt, verwechselt die Plätzchen; ich laufe aus meiner Statthalterschaft in den Dienst meines gnädigen Herrn Don Quixote, bei dem ich doch satt werde, wenn ich auch mein Brot in Ängsten esse, und ich meine, wie ich satt werde, ist mir gleichviel, ob von Pastinaken oder von Rebhühnern.«
Hiermit endigte Sancho seine lange Rede, indem Don Quixote immer fürchtete, daß er tausend Narrheiten darin vorbringen würde; da er ihn dieselbe aber mit so wenigen beschließen sah, sagte er in seinem Herzen dem Himmel Dank, und der Herzog umarmte Sancho und sagte zu ihm, es tue ihm in der Seele weh, daß er die Statthalterschaft so schnell verlassen habe; er wolle es aber so einrichten, daß er ihm in seinem Gebiete ein anderes Amt gebe, das weniger beschwerlich und einträglicher sei. Auch die Herzogin umarmte ihn und befahl, ihn gut zu verpflegen, da man ihm ansah, daß er zerschlagen und mehr noch abgemattet
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