Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
stehen mußten. Die Trommeln erschallten, die Luft ward vom Klange der Trompeten erfüllt, unter ihren Füßen zitterte die Erde; die Herzen der zuschauenden Menge waren voller Erwartung, einige fürchteten und andere hofften den guten oder den bösen Ausgang dieses Handels.
Don Quixote nun, sich von ganzem Herzen Gott, unserem Herrn, und der Doña Dulcinea von Toboso empfehlend, wartete nur darauf, daß man das letzte Zeichen zum Angriff geben sollte; Jedoch unser Lakai hatte ganz verschiedene Gedanken; er dachte an nichts anderes als an das, was jetzt erzählt werden wird.
Es scheint wohl, daß, als er seine Feindin so in der Nähe beschaute, sie ihm das schönste Weib zu sein schien, das er noch in seinem ganzen Leben gesehen hatte; und der blinde Knabe, den man hierzulande nur gewöhnlich Amor zu nennen pflegt, wollte die Gelegenheit, die sich ihm darbot, nicht verlieren, über die Seele eines Lakaien zu triumphieren und sie in die Liste seiner Trophäen einzutragen. Er näherte sich ihm also ganz leise, ohne daß ihn jemand sah, und stieß dem armen Lakaien einen Pfeil von zwei Ellen in die linke Seite, womit er ihm das Herz durch und durch spaltete; was er auch wahrlich sehr leicht tun konnte, denn Amor ist unsichtbar und dringt ein, wo er nur immer will, ohne daß ihn jemand wegen seiner Taten zur Rede stellt. Als daher das Zeichen zum Angriffe gegeben war, stand unser Lakai so entzückt, indem er die Schönheit derjenigen erwog, die schon die Gebieterin seiner Freiheit geworden war, daß er den Klang der Trompete gar nicht vernahm, den Don Ouixote sehr gut hörte und kaum ihn hörend, alsbald dahersprengte und im heftigsten Rennen, so schnell es nur sein Rosinante aushalten konnte, gegen seinen Feind stürzte; und indem ihn sein Stallmeister Sancho abfahren sah, rief dieser mit lauter Stimme: »Gott geleite dich, du Blume und Ausbund der irrenden Ritter; Gott gebe dir den Sieg, denn du hast das Recht auf deiner Seite.« Und obgleich Tosilos Don Quixote auf sich loskommen sah, bewegte er sich doch nicht einen Schritt von seinem Platze, sondern er rief vielmehr mit lauter Stimme den Marschall herbei, und als dieser gekommen, um zu sehen, was er verlange, fragte er ihn: »Mein Herr, geschieht dieser Kampf nicht deshalb, daß ich mich mit der Dame da vermähle oder nicht vermähle?«
»So ist es«, war die Antwort.
»Also denn«, sagte der Lakai, »fürchte ich mein Gewissen und halte es für eine zu große Sünde, wenn dieser Kampf vor sich ginge; darum sage ich, daß ich mich für überwunden gebe und daß ich mich augenblicklich mit der Dame verheiraten will.«
Der Marschall war über die Worte des Tosilos in Erstaunen, und da er einer der Eingeweihten war und den Zusammenhang der Geschichte kannte, so war er nicht imstande, ein Wort zu erwidern. Don Quixote hielt mitten in seinem Laufe inne, da er sah, daß ihm sein Feind nicht entgegenkam. Der Herzog begriff nicht, warum der Zweikampf nicht vor sich ging; doch der Marschall teilte ihm bald mit, was Tosilos gesagt hatte, worüber er aufs äußerste erstaunt und zornig war. Indem dieses vorging, begab sich Tosilos nach dem Sitze der Doña Rodriguez und sagte mit lauter Stimme: »Ich, Señora, will mich mit Eurer Tochter verheiraten und verlange nicht, das mit Zanken und Streiten zu erlangen, was ich im Frieden und ohne Lebensgefahr bekommen kann.«
Dieses hörte der edle Don Quixote und sprach: »Da dem also ist, so bin ich frei und meines Versprechens ledig; verheiratet euch zur guten Stunde, und was euch Gott der Herr gegeben hat, das möge euch Sankt Peter gesegnen.«
Der Herzog war jetzt auf den Schloßplatz herabgestiegen, ging zum Tosilos und fragte ihn: »Ist es die Wahrheit, Ritter, daß Ihr Euch für überwunden erkennt und daß Ihr, von Eurem zagenden Gewissen angetrieben, entschlossen seid, Euch mit dieser Jungfrau zu vermählen?«
»Ja, gnädiger Herr«, antwortete Tosilos.
»Er tut sehr gut«, sagte hierauf Sancho Pansa, »denn: der Katze gib, was frißt die Maus, so hast du Ruh’ im Haus.«
Tosilos bemühte sich, den Helm abzunehmen und bat, daß man ihm eilig helfen möchte, denn es fehle ihm schon an Besinnung und Atem, weil er es nicht aushalten könne, so lange in dem engen Käfige eingeschlossen zu sein. Sie nahmen ihn schnell ab, und nun wurde sein Lakaiengesicht entdeckt und offenbar. Als dieses die Doña Rodriguez und ihre Tochter sahen, schrien sie laut und sagten: »Dies ist Betrug, Betrug ist dies, den Tosilos, den Lakaien
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