Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
ideologischen Auseinandersetzung mit dem spanischen Wesen wird. Don Quixote ist der spanische Mythos schlechthin, in Funktion und Wirkung vergleichbar mit dem Faust-Mythos in Deutschland.
Zunächst Dokument der Narreteien des reaktionären Spanien, wird der Roman im Frankreich der beginnenden Aufklärung zum Auslöser richtungweisender Innovationen im Bereich der Erzählliteratur, so bei Sorel, Duverdiers, Marivaux und Cazotte. Die Neuerungen des ›verwilderten Romans‹ und der philosophischen Erzählung des 18. Jh.s in England und Frankreich (Sterne, Fielding, Diderot) wären ohne die Beschäftigung mit Don Quixote wohl kaum in der bekannten Weise verlaufen.
In Deutschland setzt die Beschäftigung mit dem Werk nach Ansätzen wie Neugebauers Deutschem Don Quixotte , Hippels Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z und Wezels Tobias Knaut erst mit der Übersetzung Tiecks richtig ein: Die Romantik stellt Cervantes’ Werk neben Shakespeare, Ariost und Rabelais – als Hieroglyphe genuin romantischer Erzählkunst, als Vorläufer von Schlegels Konzept der »progressiven Universalpoesie«. Wie später bei den spanischen Autoren der ›Generation von 98‹ scheint das übermächtige Textvorbild auch bei den romantischen deutschen Autoren stets durch, deren revolutionäre Techniken der Illusionsbrechung (Tieck), des »Buches im Buch« (Hoffmann) und der »immanenten Poetik« (Novalis) sich ebenso von Cervantes herleiten wie das zentrale Thema des literarischen Wahns (Fouqué).
Der Cervantes-Forscher sieht sich einer so unübersehbaren Fülle von Sekundärliteratur und Kommentaren unterschiedlichster Zielrichtung gegenüber, wie sie sonst allenfalls noch im Schrifttum zu Shakespeare erreicht wird. In über 70 Sprachen übersetzt, kann der Don Quixote mit 2300 Auflagen in aller Welt als das wirkungsmächtigste Werk nach der Bibel gelten.
Auch die bildende Kunst hat sich des Themas angenommen. Nach den berühmt gewordenen Illustrationen Daumiers und Dorés haben sich auch Cézanne und Redon damit befasst. Im 20. Jh. haben sich mit dem »Ritter von der traurigen Gestalt« André Masson, Horst Janssen, Hap Grieshaber, Picasso und Dalí beschäftigt.
Musiker wurden durch das Quixote-Thema zu Balletten und Opern inspiriert, wobei zu den frühesten Zeugnissen die Opern Henry Purcells (1694/95) und Giovanni Paisiellos (1769) und die Don Quixote-Suite von Georg Philipp Telemann (1761) zählen. Im 19. Jh. wären neben Felix Mendelssohns Jugendwerk Die Hochzeit von Camacho vor allem Jules Massenets Oper (1910) und Richard Strauss’ symphonische Dichtung (1898) zu erwähnen, während der irrende Ritter im 20. Jh. vor allem durch Maurice Ravels letztes Werk, die drei Lieder Don Quijotte à Dulcinée , (1932), und in Manuel de Fallas kongenialer Oper für Puppentheater El Retablo de Maese Pedro (1923), weiterwirkt, die den Geist der Vorlage bewahren. Schließlich hat sich auch das Broadway-Musical The Man from La Mancha von Mitch Leigh mit dem Thema beschäftigt. Unter den zahlreichen Verfilmungen ragt neben den Fassungen von Pabst und Kosintzev vor allem der unvollendete Film von Orson Welles (1955) heraus.
Gerhard Wild
Aus: Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage.
Herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold (ISBN 9783476-040008). – © der deutschsprachigen Originalausgabe 2009 J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag, Stuttgart (in Lizenz der Kindler Verlag GmbH).
[Die Schreibweise lautet abweichend in Kindlers Literatur Lexikon: Don Quijote.]
Aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur:
Miguel de Cervantes
Geb. 29. 9.(?)1547 in Alcalá de Henares/Spanien;
gest. 23.4.1616 in Madrid
Noch 400 Jahre nach Erscheinen seines Hauptwerkes ist über den Autor des Quixote recht wenig Verlässliches bekannt. Miguel de Cervantes führte ein im wahrsten Sinne romanhaftes Leben, dessen Konstante der Wandel ist. Geboren wird C. als viertes von sechs Kindern eines Wanderarztes, am 9.10.1547 wird er getauft. Als junger Mann erhält er in Madrid eine humanistische Ausbildung bei López de Hoyos. Unter dessen Ägide erscheinen 1568 erste Gedichte. Kurz darauf verlässt C. Spanien, vermutlich infolge eines Duells. Im Gefolge des Kardinals Claudio Aquaviva reist er an den Papsthof nach Rom (1569), danach verdingt er sich in Neapel als Soldat der katholischen Liga. C. nimmt unter anderem an der Galeerenschlacht bei Lepanto (1571) teil, in der christliche Truppen den Vorstoß der Türken im
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